Anfertigen und Verbreiten von Hetzversen durch Jugendlichen
2. April 1973
Information Nr. 317/73 über die feindliche Tätigkeit in Verbindung mit dem Anfertigen und Verbreiten sogenannter Hetzverse durch den Jugendlichen [Name, Vorname], Schwerin
Durch das MfS wurde am 29.3.1973 der Jugendliche [Name, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1951, letzte Tätigkeit: Bühnenarbeiter am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, wohnhaft 1. Wismar, [Straße, Nr.], 2. Schwerin, [Straße, Nr.], ledig, seit 1971 Mitglied der CDU festgenommen und gegen ihn ein Ermittlungsverfahren mit Haft wegen staatsfeindlicher Hetze (§ 106 StGB Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2)1 sowie wegen Verbrechen, die gegen ein anderes sozialistisches Land gerichtet sind (§ 108 StGB)2, eingeleitet.
Die durch das MfS bisher durchgeführten Untersuchungen ergaben, dass [Name] seit 1968 maschinen- und handschriftlich eine große Anzahl von Gedichten, Versen und sogenannten Schriftstücken in Prosa verfasst hatte, die sich zum überwiegenden Teil inhaltlich gegen die sozialistischen Verhältnisse in der DDR, in der ČSSR und in der Sowjetunion richteten, insbesondere gegen die Hilfsmaßnahmen der Warschauer Vertragsstaaten im August 1968 in der ČSSR,3 gegen die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR und die Staatsgrenze der DDR nach Westberlin, gegen die sozialistische Kulturpolitik und gegen die Partei- und Staatsführung der Sowjetunion.
Das durch [Name] hergestellte Hetzmaterial besitzt zum erheblichen Teil Aufforderungscharakter zum feindlichen Tätigwerden und zielt auf die emotionale Ansprechbarkeit politisch indifferenter Personen, besonders jugendlicher Kreise, ab.
Bisher wurden durch das MfS ca. 3 000 maschinen- und handschriftlich beschriebene Blätter dieses Inhalts in der Haupt- und Nebenwohnung des [Name] sichergestellt.
Die durch [Name] hergestellten Hetzblätter wurden durch ihn einem größeren Kreis Jugendlicher zugänglich gemacht, indem er in bestimmten Abständen mit ihnen in seiner oder in Wohnungen dieser Personen zusammentraf und ihnen diese Verse zum Lesen gab oder sie selbst vortrug. Im Anschluss daran forderte [Name] jeweils zur Diskussion auf und gab selbst ausführliche »Kommentare« zur Verdeutlichung seiner Hetzverse.
Bei den Freunden und Bekannten des [Name], die sich an diesen »Zusammenkünften« beteiligten, handelt es sich um dem MfS bekannte Personen, die eine negative bis feindliche Grundeinstellung zu den sozialistischen Verhältnissen besitzen, z. T. stark religiös gebunden sind, und ihre feindliche Einstellung zur DDR in Gesprächen wiederholt auch zu erkennen gaben.
Aus den Untersuchungen zum Persönlichkeitsbild des [Name] geht hervor, dass er religiös gebunden ist. Er ist seit Jahren aktives Mitglied der »Jungen Gemeinde«.4
Nach achtjähriger Schulzeit und Berufsabschluss als Bäcker war er ca. ein halbes Jahr als Vorpraktikant in den Samariteranstalten in Fürstenwalde-Süd (Bethanien-Lesiushaus) tätig, wo er wegen Nichterfüllung der Anforderungen entlassen wurde. Danach besuchte er ca. ein Jahr das Landeskirchliche Katechetische Seminar in Schwerin, nahm anschließend ein Studium an der Theologischen Sektion der Universität Rostock auf und wurde nach ca. einjähriger Studienzeit wegen schlechter Studienleistungen und Aufwiegelung seiner Kommilitonen gegen den Lehrkörper exmatrikuliert. (Er hatte bereits zu dieser Zeit – 1970 – eine Reihe antisozialistischer, konvergenztheoretischer und revisionistischer Schriften verfasst und anderen Studenten zur Kenntnis gebracht.)
Von einem anschließenden Studium an der Evangelischen Predigerschule Erfurt wurde [Name] nach einigen »Probemonaten« wegen überheblichen Auftretens ebenfalls exmatrikuliert.
Danach war [Name] seit September 1972 als Bühnenarbeiter am Mecklenburgischen Staatstheater beschäftigt, wo er wegen mangelhafter Arbeitsmoral und Unzuverlässigkeit Mitte März 1973 entlassen wurde.
Die Untersuchungen zur umfassenden Aufklärung der durch [Name] durchgeführten feindlichen Handlungen, der weiteren Ursachen, Motive und begünstigenden Bedingungen werden fortgesetzt.