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Ausschleusung durch einen Diplomaten Ägyptens

[ohne Datum]
Information Nr. 958/73 über die Ausschleusung von Bürgern der DDR durch einen Diplomaten der Arabischen Republik Ägypten

Dem Ministerium für Staatssicherheit ist zuverlässig bekannt, dass der Staatsbürger der Arabischen Republik Ägypten [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1938, Diplomatischer Kurier des Außenministeriums der Arabischen Republik Ägypten, Diplomaten-Pass Nr. 351, im Auftrag einer in Westberlin ansässigen Menschenhändlerorganisation1 unter vorsätzlichem Missbrauch seines diplomatischen Status Bürger der DDR nach Westberlin ausschleust.

Vorliegenden Hinweisen zufolge nutzt [Name 1] seine häufigen »diplomatischen« Fahrten zwischen Berlin (West) und der Hauptstadt der DDR, Berlin, zielgerichtet dazu aus, um im Auftrag der Menschenhändlerorganisation in der Hauptstadt der DDR Bürger der DDR in dem von ihm jeweils gesteuerten Pkw aufzunehmen und im Kofferraum versteckt über die Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße nach Berlin (West) auszuschleusen.

Bei der Durchführung seiner verbrecherischen Machenschaften zur Ausschleusung von Bürgern der DDR nach Berlin (West) benutzt [Name 1] seinen Diplomatenpass, der ihn und das Schleusungsfahrzeug beim Passieren der Grenzübergangsstelle der DDR von einer Kontrolle befreit.

Zur Abdeckung der feindlichen Handlungen seitens [Name 1] sind bei seinen Schleusungsfahrten noch weitere Diplomaten – größtenteils Mitarbeiter der Botschaft der Arabischen Republik Ägypten in der DDR – als Mitfahrer in seinem Pkw anwesend.

Bekannt ist ferner, dass [Name 1] und weitere ihn begleitende Diplomaten enge Verbindungen zu dem Staatsbürger des Kuweit, [Name 2]2 (ehemaliger Presseattaché der Botschaft des Kuweit in Italien), unterhielten, der am 27.1.1973 durch die Organe des MfS auf frischer Tat festgenommen wurde, als er im Auftrag der Westberliner Menschenhändlerorganisation Fuchs3 unter missbräuchlicher Benutzung seines Diplomatenpasses versuchte, Bürger der DDR nach Berlin (West) auszuschleusen.

Seitens des MfS ist vorgesehen, [Name 1] bei einer erneuten Einreise in die Hauptstadt der DDR zum Zwecke der auftragsgemäßen Ausschleusung von Bürgern der DDR auf frischer Tat festzunehmen und gegen ihn gemäß § 105 StGB (Staatsfeindlicher Menschenhandel)4 ein Ermittlungsverfahren durchzuführen.

  1. Zum nächsten Dokument Verhinderung einer Ausschleusung von Bürgern der DDR

    [ohne Datum]
    Information Nr. 961/73 über die Verhinderung einer Ausschleusung von Bürgern der DDR nach Berlin (West)
  2. Zum vorherigen Dokument Kontakte der Arbeitsgemeinschaft Literatur zu DDR-Literaten

    14. September 1973
    Information Nr. 937/73 über den Versuch der Kontaktaufnahme durch die »Arbeitsgemeinschaft Literatur, Butzbach« (BRD) zu Literaturschaffenden der DDR

  1. Als Menschenhändlerorganisation, -zentrale oder -bande wurden in der DDR Gruppen von Menschen bezeichnet, die die Flucht von Personen aus der DDR organisierten. Ihr Handeln wurde in der DDR als staatsfeindlicher Menschenhandel und organisiertes Verbrechen strafrechtlich verfolgt.

  2. Die Person, die hier als »[Name 2]« anonymisiert ist, ist dieselbe Person, die in den Informationen 90/73 und 92/73 als »[Name 1, Vorname]« anonymisiert wurde.

  3. Wolfgang Fuchs, Jg. 1939, Fluchthelfer, 1953–57 Lehrling und später Facharbeiter in der optischen Betriebsleitung des VEB Carl Zeiss Jena, 1957 Flucht aus der DDR, 1962–68 Fluchthelfer erst für Familienangehörige, dann auch für andere Fluchtwillige u. a. mithilfe von selbst gegrabenen Tunneln und präparierten Autos, ab 1964 auch Fluchthilfe für die Westberliner CDU bzw. für Angehörige der Exil-CDU in der DDR, ab 1967 Inhaber und Betreiber von Drogerien.

  4. Der § 105 StGB – Staatsfeindlicher Menschenhandel – lautete: »Wer es (1) mit dem Ziel, die Deutsche Demokratische Republik zu schädigen; (2) in Zusammenhang mit Organisationen, Einrichtungen, Gruppen oder Personen, die einen Kampf gegen die Deutsche Demokratische Republik führen, oder, mit Wirtschaftsunternehmen oder deren Vertretern unternimmt, Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in außerhalb ihres Staatsgebietes liegende Gebiete oder Staaten abzuwerben, zu verschleppen, auszuschleusen oder deren Rückkehr zu verhindern, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.« In: Ministerium der Justiz (Hg.): Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik – StGB. Textausgabe mit Sachregister. Berlin 1968, S. 46.