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Außerordentliche Konferenz der katholischen Bischöfe der DDR

29. Juli 1973
Information Nr. 726/73 über die außerordentliche Konferenz der katholischen Bischöfe der DDR am 18.7.1973 in der Hauptstadt Berlin

Dem MfS wurde vertraulich bekannt, dass Kardinal Bengsch1 am 18.7.1973 eine kurzfristig einberufene außerordentliche Konferenz der katholischen Bischöfe der DDR durchführte, nachdem er am 16.7.1973 vom Vatikan über den beabsichtigten Einsatz Apostolischer Administratoren und eines Weihbischofs im Gebiet der DDR und in den Teilbistümern, die kirchenrechtlich zu Bistümern der BRD gehören, informiert worden war.2 Kardinal Bengsch unterbrach deshalb seinen Urlaub in Zinnowitz.

Bereits am 17.7.1973 hatte Kardinal Bengsch alle betreffenden Bischöfe befragen lassen, ob sie mit der Ernennung einverstanden sind. Alle Bischöfe hatten dabei zugestimmt.

Zu Beginn der außerordentlichen Konferenz gab Kardinal Bengsch wörtlich das Schreiben vom Vatikan bekannt.

Danach werden folgende Bischöfe »Permanenter constitutius Administrator« (ständiger konstitutioneller Administrator):

  • Weihbischof Theissing,3 Region Schwerin

    (vordem kirchenrechtlich zum Bistum Osnabrück gehörend)

  • Bischof Braun,4 Region Magdeburg

    (vordem kirchenrechtlich zum Bistum Paderborn gehörend)

  • WeihbischofAufderbeck,5 Region Erfurt-Meiningen

    (vordem kirchenrechtlich zu den Bistümern Fulda und Würzburg gehörend).

Außerdem wurde Prälat Karl Ebert6 zum Weihbischof des Apostolischen Administrators der Region Erfurt-Meiningen ernannt. Damit ist er in Zukunft dem Bischof von Erfurt-Meiningen Aufderbeck unterstellt.7

Das Wort »Kommissariat« wurde in dem Schreiben des Vatikans an Kardinal Bengsch nicht mehr verwandt.

Der Vatikan teilte in dem Schreiben mit, dass diese Ernennung für ständig erfolgt ist und damit den o. g. Personen die Rechte und Pflichten eines residierenden Bischofs übertragen worden sind. Damit ist die Jurisdiktion (Rechtsprechung) der Bischöfe der BRD, die kirchenrechtlich einen Anteil ihres Bistums auf dem Territorium der DDR hatten, suspendiert worden.

Kardinal Bengsch befragte in der Bischofskonferenz noch einmal alle Bischöfe eingehend nach ihrem Einverständnis, das alle bekundeten. Lediglich Ebert aus Meiningen äußerte Bedenken, weil er Bischof Aufderbeck als Weihbischof zugeteilt worden ist. Er begründete seine Bedenken damit, dass jeder Bischof das Recht habe, entsprechende Kandidaten für einen Weihbischof in Rom vorzuschlagen. Kardinal Bengsch zerstreute diese Bedenken und erklärte Ebert, dass er den Untertitel »Bischofsvikar« in Meiningen führen kann und Bischof Aufderbeck die Möglichkeit habe, einen weiteren Weihbischof für das Gebiet Erfurt-Meiningen vorzuschlagen.

Während der Bischofskonferenz wurde die Mitteilung an das Staatssekretariat für Kirchenfragen über den Einsatz Apostolischer Administratoren in der DDR beschlossen. Dieses Schreiben wurde am 23.7.1973 kurz vor Beendigung der Sperrfrist zugestellt.8

(Die Sperrfrist war vom Vatikan bis 23.7.1973, 11.00 Uhr, dem Zeitpunkt der Bekanntgabe über den »Osservatore Romano«9 durch den Vatikan, verfügt worden.)

Im weiteren Verlauf der Bischofskonferenz wurde ebenfalls eine Mitteilung an den Klerus in den betroffenen Regionen beschlossen, die von jedem Administrator persönlich – mit gleichlautendem Text – herausgegeben wird. Diese Mitteilung lautet:

»Der Heilige Vater, Papst Paul VI.,10 hat mich durch Schreiben seines Kardinalstaatssekretärs Jean Villot11 vom 14. Juli 1973 zum Apostolischen Administrator in … ernannt.

Durch diese Ernennung, die für ständig erfolgt ist, wurden mir die Rechte und Pflichten eines residierenden Bischofs übertragen und dadurch die Jurisdiktion des Ordinarius von … für den in der Deutschen Demokratischen Republik gelegenen Anteil der Diözese … suspendiert.

Der Heilige Vater hat diese Regelung aus der Sorge um eine angemessene Ordnung der kirchlichen Jurisdiktion in der Deutschen Demokratischen Republik getroffen.

In Verbundenheit mit dem Heiligen Vater und in Dankbarkeit für seine Sorge um die Kirche nehmen wir diese Entscheidung an.

In diesem Augenblick fühlen wir uns verpflichtet, der Diözese … und ihrem Bischof … und allen Priestern für alle materielle, personelle und geistliche Hilfe in den vergangenen Jahrzehnten zu danken.

(Der Dank ist gerichtet an das jeweilige Bistum in der BRD, dessen Rechte durch die Ernennung suspendiert wurden.)

Im Glauben und in der brüderlichen Liebe bleiben wir weiterhin miteinander verbunden.«

Der letzte Satz in dieser Mitteilung ist auf ausdrückliches Verlangen von Kardinal Bengsch aufgenommen worden.

Dieser Satz solle seiner Meinung nach zum Ausdruck bringen, dass zwar eine Trennung erfolgt ist, aber »Einheit im Glauben« bestehen bleibt. Bengsch äußerte die Meinung, dass die katholische Kirche sich mit diesem Satz »nicht so sehr« auf eine Einheitlichkeit festlege, wie es der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR12 getan habe.

Im Zusammenhang mit den Ernennungen wurde durch die Bischofskonferenz Einigkeit darüber erzielt, in Zukunft folgenden Briefkopf zu verwenden:

»Der Apostolische Administrator in (Magdeburg bzw. Schwerin bzw. Erfurt), Untertitel: Bischöfliches Amt«.

Die Bezeichnungen »Bischöfliches Kommissariat« bzw. »Erzbischöfliches Kommissariat« sollen nicht mehr verwandt werden.

Die betroffenen Gebiete sollen wie folgt benannt werden:

  • »Bereich des Bischöflichen Amtes« oder

  • »Gebiet des Bischöflichen Amtes« oder

  • »Jurisdiktionsbezirk«.

Für Meiningen ist vorgesehen, unter dem Titel »Der Apostolische Administrator« den Untertitel »Der Bischofsvikar in Meiningen« zu verwenden.

Bengsch hat bei den anwesenden Bischöfen das Einverständnis darüber eingeholt, an den Vatikan den Antrag zu stellen, die Berliner Ordinarienkonferenz in »Bischofskonferenz der Deutschen Demokratischen Republik« umzubenennen. Diese Umbenennung wäre ein weiterer Schritt zur Verselbstständigung der katholischen Kirche in der DDR. Im Falle der Umbenennung wäre der Kardinal automatisch Mitglied der Bischofssynode in Rom. Zurzeit ist er vom Papst berufen und auf dessen Einladung angewiesen. Bei der Berliner Ordinarienkonferenz handelt es sich nach Kirchenrecht um eine regionale Bischofskonferenz, die zur Bischofskonferenz der BRD gehört. Praktisch hatte diese Tatsache bisher keine Auswirkungen, aber rechtlich ist die Trennung noch nicht vollzogen.

Die Bearbeitungszeit eines derartigen Antrages beträgt im Vatikan ca. ein Jahr. Bengsch will persönlich im Vatikan vorstellig werden, damit der Antrag schneller realisiert wird.

Durch die Ernennung von Administratoren sind den ernannten Personen mehr Rechte und Pflichten durch den Vatikan zugesprochen worden. Die Rechte des Kardinals wurden jedoch in keiner Hinsicht beschnitten.

Die Information ist wegen Quellengefährdung streng vertraulich zu behandeln und darf nicht öffentlich ausgewertet werden.

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    29. Juli 1973
    Information Nr. 727/73 über die Verhinderung eines ungesetzlichen Grenzübertrittes DDR/Westberlin am 27. Juli 1973

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    29. Juli 1973
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