DDR-Aufenthalt des BRD-Finanzministers Helmut Schmidt
10. September 1973
Information Nr. 935/73 über den Aufenthalt des BRD-Finanzministers Helmut Schmidt am 7. September 1973 in Leipzig anlässlich der Herbstmesse
Schmidt1 hielt sich am 7.9.1973 von 11.30 Uhr bis 19.00 Uhr in Leipzig auf. Er besuchte auf dem Gelände der Technischen Messe die Ausstellungskomplexe »Expovita« (Messehalle 18),2 »Intecta« (Halle 15)3 und die Messestände der VVB Chemieanlagen, des VEB Chemisches Kombinat Bitterfeld und die Halle 11 mit dem Ausstellungskomplex IFA-Fahrzeuge.4 Während seiner Standbesuche erkundigte sich Schmidt über Einzelheiten zur Entwicklung der Industriezweige, insbesondere über Preispolitik und Preisentwicklung bei den Industrie-Exporten in sozialistische und kapitalistische Länder. Insbesondere interessierte er sich für Beschaffungsfragen auf dem Gebiet des Erdöls (Lieferländer, Transport).5
Beim Rundgang durch die »Expovita« und die »Intecta« interessierte sich Schmidt besonders für Segelboote, die ausgestellte Electronic-Orgel, Küchenmöbel und Geschirr, wobei dieses Interesse persönlich motiviert war.
Während des Mittagessens in Auerbachs Keller wurde von westlichen Journalisten in der Mädler-Passage ein Pressegespräch mit Schmidt vorbereitet.
Durch gezielte Hinweise dieser Journalisten sollten eine Menschenansammlung erreicht und DDR-Bürger zu Beifallskundgebungen veranlasst werden. Obwohl die Maßnahmen der Journalisten zur Vorbereitung des Pressegesprächs sehr auffällig erfolgten, nahmen nur etwa 200 bis 300 Neugierige vom Aufenthalt Schmidts Notiz. Nur vereinzelt kam es zu Versuchen Anwesender, Beifallsbekundungen und Hochrufe zu inszenieren (ca. zehn Personen, BRD- und DDR-Bürger, Maßnahmen zur weiteren Aufklärung wurden eingeleitet).
Die überwiegende Mehrzahl der Anwesenden verhielt sich passiv.
Es wurden während des gesamten Aufenthalts Schmidts keine Feststellungen getroffen, dass DDR-Bürger aufgrund der Ankündigung seiner Reise nach Leipzig seitens des Westrundfunks und -fernsehens erschienen, um Schmidt zu sehen und in Kontakt mit ihm zu kommen. Aus Äußerungen Schmidts ist ersichtlich, dass er über die geringe Reaktion der DDR-Bürger auf seinen Besuch und über die geringe Publikumswirksamkeit des von den westlichen Journalisten organisierten Pressegespräches nicht zufrieden war. Er hätte gewünscht, dass er von Tausenden empfangen worden wäre.
Nach dem Pressegespräch, in dem Schmidt den »privaten Charakter« seines Besuches unterstrich und sich als »Vorreiter der Ostpolitik«6 bezeichnete, begab er sich zu Fuß durch die Innenstadt zum Hotel »Astoria«, wo er vom Genossen Sölle7 empfangen wurde.8
Dabei wurden keine Aktivitäten Schmidts festgestellt, mit DDR-Bürgern in Kontakt zu kommen.
Der Fahrer des Pkw von Schmidt verteilte während des Aufenthaltes in Leipzig vereinzelt Bilder von Brandt9 und Schmidt in Postkartengröße.
Insgesamt ist festzustellen, dass lediglich durch die gezielte Tätigkeit einiger westlicher Journalisten erreicht wurde, dass DDR-Bürger in dem genannten Umfang vom Aufenthalt Schmidts in Leipzig Kenntnis nahmen.
Nach dem Besuch der Thomas-Kirche (17.30 Uhr bis 19.00 Uhr) reiste Schmidt nach Westberlin. In der Zeit von 20.45 Uhr bis 21.30 Uhr hielt er sich in der Raststätte Michendorf auf. Um 21.45 Uhr passierte er die Grenzübergangsstelle Drewitz.