Demonstrative Handlungen von jemenitischen Studierenden
16. April 1973
Information Nr. 366/73 über demonstrative Handlungen von studierenden jemenitischen Bürgern in der DDR am 12. April 1973 in der Hauptstadt Berlin
Dem MfS wurde zuverlässig bekannt, dass in der DDR lebende jemenitische Bürger, die an verschiedenen Universitäten, Hoch- und Fachschulen der DDR studieren,1 beabsichtigten, am 12.4.1973 in Berlin, Alexanderplatz, eine Demonstration durchzuführen.
Als Anlass wurde die Veröffentlichung eines Kommuniqués der Jemenitischen Arabischen Republik (JAR) und Saudi-Arabiens genannt, in dem angeblich die Abtretung von Gebieten der JAR an Saudi-Arabien vor dem Zusammenschluss der gegenwärtig existierenden zwei jemenitischen Staaten festgelegt worden sei.2
Die eingeleiteten Überprüfungsmaßnahmen ergaben, dass die Leitung des Verbandes der jemenitischen Studierenden in der DDR alle Mitglieder zur Teilnahme an der Demonstration in Berlin aufgefordert hatte.
Trotz der durch das Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR (MHF) eingeleiteten Maßnahmen an allen Hoch- und Fachschulen bezüglich der Verhinderung von Reisen jemenitischer Studenten in die Hauptstadt Berlin gelang es insgesamt 61 jemenitischen Bürgern, am 12.4.1973 nach Berlin zu reisen.
Die auf den Fernbahnhöfen in der Hauptstadt ankommenden jemenitischen Studenten wurden in die Hochschule für Ökonomie3 und in das Haus des Lehrers geleitet.
In Aussprachen mit den jemenitischen Studenten gelang es, sie von ihrem Vorhaben – Durchführung einer Demonstration auf dem Alexanderplatz – abzuhalten. In diesen Aussprachen bestanden die jemenitischen Studenten jedoch darauf, Resolutionen zu verfassen und diese Resolutionen den Botschaften der Jemenitischen Arabischen Republik in der DDR bzw. der Demokratischen Volksrepublik Jemen überbringen zu können.
Zu diesem Zweck wurde allen nach Berlin angereisten jemenitischen Studenten eine Zusammenkunft im Haus des Lehrers ermöglicht, wo die Diskussion und Abstimmung über diese Resolutionen erfolgte.
Diese Resolutionen, gerichtet an Bruder Salim Rubia Ali,4 Vorsitzender des Präsidialrates Demokratische Volksrepublik Jemen, und Abdul Rahman al-Iryani,5 Präsident der Jemenitischen Arabischen Republik, nehmen Bezug auf eine »Erklärung des Ministerpräsidenten der Jemenitischen Arabischen Republik«, Kadhi Abdullah Al-Hagri,6 vom 17. März 1973.7
In dieser Erklärung habe der Ministerpräsident der Jemenitischen Arabischen Republik Verrat begangen, indem er gegenüber Saudi-Arabien einen »Verzicht auf Teile unserer jemenitischen Heimat ausgesprochen« habe.
In den Resolutionen wird diese Erklärung auf das Entschiedenste abgelehnt und werden jegliche Geheimabkommen im Zusammenhang mit dem Verzicht auf nationale Souveränität verurteilt.
Weiterhin werden die Teilungen, die gegen die Nation und gegen das Volk des Nordens gerichtet seien, auf das Schärfste verurteilt.
In der Erklärung an den Präsidenten der Jemenitischen Arabischen Republik werden Forderungen nach Einstellung von Mord, Folterungen und Terror gegen die nationalen Kräfte erhoben sowie die Sabotage des Abkommens über die Einheit durch den Präsidenten der Jemenitischen Arabischen Republik und die Zeichen der Bereitschaft zur Feindschaft mit der Demokratischen Volksrepublik Jemen verurteilt.
In der Resolution an den Vorsitzenden des Präsidialrates der Demokratischen Volksrepublik Jemen bekräftigen die jemenitischen Studierenden in der DDR ihre Unterstützung für alle entschlossenen und entschiedenen Maßnahmen der Demokratischen Volksrepublik Jemen, die gegen Ausbeutung, Imperialismus und Reaktion gerichtet sind. Sie unterstützen die feste Haltung gegen den Feind des jemenitischen Volkes und gegen jeden Verzicht auf jemenitisches Territorium.
Abschließend wird die Entschlossenheit der im Bund der jemenitischen Studenten in der DDR organisierten Studenten hervorgehoben, auf der Seite der Volksdemokratischen Republik Jemen für den Aufbau und die Interessen des jemenitischen Volkes einzutreten.
Ein Versuch, beide Resolutionen am 12.4.1973 in der Botschaft der JAR zu übergeben, schlug fehl, da die Mitarbeiter der Botschaft nicht anwesend waren.
Die beabsichtigte Rückführung der jemenitischen Studenten in ihre Studien- und Ausbildungsorte in den Nachmittagsstunden des 12.4.1973 gelang nicht, da durch das Komitee für Angelegenheiten ausländischer Studierender in der DDR8 den Forderungen der Studenten, vor der Abfahrt im Stadtgebiet noch selbstständig essen gehen zu können, stattgegeben worden war.
Diesen Umstand nutzten die jemenitischen Studenten aus, sich im Stadtgebiet zu zerstreuen und ihre Rückfahrt zum größten Teil selbstständig zu organisieren.
Durch eingeleitete Kontrollmaßnahmen wurde festgestellt, dass am 12.4.1973 gegen 22.30 Uhr alle jemenitischen Studierenden die Rückreise angetreten hatten. Lediglich drei mit der Übergabe der verabschiedeten Resolutionen beauftragte jemenitische Studenten, eine sogenannte Übergabedelegation, verblieb weiterhin in der Hauptstadt Berlin.
Am 13.4.1973 überreichte die Delegation der in der DDR studierenden jemenitischen Bürger, bestehend aus drei Mitgliedern, gegen 10.30 Uhr in der Botschaft der JAR die Resolutionen.
Aufgrund einer Bitte der Botschaft der JAR war durch den Missionsschutz eine Kontrolle der Delegation nach Waffen vorgesehen. Als beim Eintreffen der dreiköpfigen Delegation der Erste Sekretär der Botschaft die Zusammensetzung der Delegation sah, bat er die Mitarbeiter des Missionsschutzes, von der Kontrolle nach Waffen Abstand zu nehmen.
Auf Wunsch der Botschaft befand sich ein Offizier des Missionsschutzes während der Verhandlungen zwischen Vertretern der Botschaft der JAR und der jemenitischen Studentendelegation im Vorraum des Verhandlungszimmers. Der Offizier des Missionsschutzes konnte den Verlauf der Verhandlungen durch die geöffnete Tür zum Verhandlungsraum beobachten.
Gegen 12.00 Uhr verließ die Delegation das Botschaftsgebäude der JAR. Die Delegationsmitglieder erklärten anschließend, dass sie freundlich behandelt worden seien und dass ihre Resolutionen mit der Versicherung entgegengenommen wurden, diese unverzüglich weiterzuleiten.
Die Delegationsmitglieder haben in den Nachmittags- bzw. Abendstunden des 13.4.1973 ebenfalls die Rückreise angetreten.