Demonstrative Versammlungen im VEB Tiefbau Riesa
19. März 1973
Information Nr. 276/73 über demonstrative Versammlungen im Zusammenhang mit der Zahlung von Jahresendprämien im VEB Tiefbau Riesa
Am 13. März 1973 fanden im VEB Tiefbau Riesa – dem ehemaligen Betrieb mit staatlicher Beteiligung Schneider – in verschiedenen Betriebsteilen demonstrative Versammlungen statt. Diese Versammlungen entstanden im Zusammenhang mit der Zahlung der Jahresendprämie für das Jahr 1972.
Vom MfS wurde festgestellt, dass seit Wochen unter den 437 Beschäftigten des Betriebes Diskussionen über die Höhe der Jahresendprämien geführt werden, nachdem ihnen bekannt wurde, dass die Höhe der Jahresendprämie 69 % des durchschnittlichen Monatsverdienstes betragen wird. (Die Umstände, die zur Festlegung der Höhe der Jahresendprämie geführt haben, werden noch eingehend geprüft.)
In verschiedenen Kurzversammlungen, die seit dem 6.3.1973 im Betrieb stattfanden, wurden Forderungen nach einer Stellungnahme der BGL bzw. des Betriebsleiters zum Problem der Zahlung der Jahresendprämie erhoben.
Beachtenswert ist, dass den Arbeitern und Angestellten während des Umwandlungsprozesses 1972 vonseiten der Arbeitsgruppe u. a. auch erklärt worden war, im neuzugründenden VEB würden auch höhere Jahresendprämien gezahlt werden.1
In ähnlicher Weise traten bis zum Jahresende 1972 Betriebsleitung und BGL in der Belegschaft auf, um zusätzliche Sonderschichten zu erreichen.
Beachtenswert ist auch die Tatsache, dass die Leitungskräfte des Betriebes verabsäumten, den Betriebsangehörigen rechtzeitig bekanntzugeben, dass für Sonderschichten ein Teil der Mittel des Prämienfonds verbraucht wird. In diesem Betrieb wurden nach bisherigen Feststellungen rund 30 % der Mittel des Prämienfonds für die Entlohnung von Sonderschichten ausgegeben.
Die Kollektive des Betriebes waren allgemein der Auffassung, für die tatsächliche Jahresplanübererfüllung 1972 eine Jahresendprämie in Höhe eines durchschnittlichen Monatsverdienstes zu erhalten.
Während der Auseinandersetzungen in den Versammlungen über die Höhe der zur Auszahlung gelangenden Jahresendprämie gaben 17 Arbeiter des VEB Tiefbau Riesa ihre Mitgliedsbücher des FDGB bei der BGL ab und erklärten ihren Austritt.
Außerdem wurden in einigen dieser Versammlungen Eingaben, Beschwerdeschreiben oder Vorsprachen bei übergeordneten Organen in Erwägung gezogen.
In einem Falle forderte ein aus Westdeutschland zugezogener Arbeiter in diesem Zusammenhang eine 25%ige Lohnerhöhung und bessere Wohnverhältnisse für seine Familie, andernfalls wolle er die Übersiedlung in die BRD beantragen.
Nach dem Bekanntwerden der Versammlungen am 13.3.1973 führten die SED-Kreisleitung Riesa, der FDGB-Kreisvorstand Riesa sowie Vertreter des Kreisbauamtes Riesa bzw. Bezirksbauamt Dresden Aussprachen im Betrieb durch.
Unter anderem wurde die Auszahlung der Jahresendprämie in Höhe eines durchschnittlichen Monatslohnes festgelegt.
Danach haben die genannten 17 Arbeiter die Austrittsabsicht aus dem FDGB rückgängig gemacht.
Vom MfS wurden die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet.