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Einschleusung von Hetzmaterial mit Ballons

18. Juni 1973
Information Nr. 561/73 über die Einschleusung von Hetzmaterial mit Ballons am 17. Juni 1973

Am 17.6.1973, in der Zeit von 6.30 Uhr bis 10.35 Uhr, wurden dicht an der Staatsgrenze der DDR von mehreren Stellen auf bayerischem Gebiet ca. 220 Ballons mit Hetzschriften zum »17. Juni«1 aufgelassen. Die Ballons flogen vorwiegend in Richtung der Kreise Lobenstein, Schleiz und Plauen.

Die Ballons haben in aufgeblasenem Zustand einen Durchmesser von etwa 50 cm. Die Hetzschriften waren mit Klebestreifen daran befestigt.

Wie festgestellt wurde, haben vier männliche Personen im Alter bis zu 30 Jahren, die mit einem VW-Bus die Staatsgrenze entlangfuhren, die Ballons gestartet.

Nach bisherigen Ermittlungen handelt es sich bei dem Verfasser der Hetzschriften um den »Bund Heimattreuer Jugend e.V.«.2

Ein Abzug der Hetzschrift ist dieser Information beigefügt.

Anlage zur Information Nr. 561/73

Vor 20 Jahren: 17. Juni 1953

Sowjetische Panzer walzen die Volksmassen nieder, | die mehr Rechte, Freiheit und Selbstbestimmung | gefordert hatten.

Es blieb alles beim Alten: | Ulbricht herrschte weiter ohne Einschränkung, | gestützt auf sowjetische Bajonette und Panzer.

Das war kein Einzelfall, – die nachfolgenden Jahre beweisen das: | Volksaufstände in Ungarn3 und Polen,4 | der Mauerbau,5 | Tschechoslowakei,6 Hafenarbeiterstreik in Danzig und Stettin,7 | Terror gegen die Juden in der UdSSR8 | und in Zukunft wieder Blut und Tränen?

Einigkeit und Recht und Freiheit

Tag der Deutschen Einheit?9 | Bundesdeutscher Ausflugstag?

Sind die Toten des Volksaufstandes, das Blut, | die Tränen alles vergessen? – | Vergessen auch das Leid an der Mauer und der Demarkationslinie? | Vergessen, dass Deutschland geteilt, zerschlagen, kastriert ist?

Die Volkstreue Jugend erinnert

an das Selbstbestimmungsrecht (jedem Negerstamm in Afrika gesteht man es zu!) | an das Recht zur staatlichen Einheit (ein zerrissenes Volk wird immer ein Unruheherd bleiben!) | an das Recht der freien Selbstentfaltung (Meinungsfreiheit, freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl usw.), denn ohne Freiheit sterben die schöpferischen Kräfte im Menschen.

Die Volkstreue Jugend gibt nicht auf,

sie glaubt an ein starkes Europa mit den Nationen im Osten, | sie kämpft für die Einheit des Reiches, | sie arbeitet für soziale und nationale Erneuerung, | sie ruht nicht bis zur Erreichung dieser Ziele!

  1. Zum nächsten Dokument Versuchte Ausschleusung durch Westberliner

    18. Juni 1973
    Information Nr. 562/73 über die Festnahme eines Westberliner Bürgers wegen des Versuchs der Ausschleusung von DDR-Bürgern
  2. Zum vorherigen Dokument Vorkommnis mit einem Westberliner Bürger

    18. Juni 1973
    Information Nr. 560/73 über ein Vorkommnis mit einem Westberliner Bürger auf dem Bahn-Haltepunkt Rosenwinkel, Kreis Pritzwalk

  1. Gemeint ist der Volksaufstand, der um den 17. Juni 1953 herum an zahlreichen Orten der DDR stattfand.

  2. Der nationalkonservative »Bund Heimattreuer Jugend e.V.« (BHJ) wurde erstmals 1958 in Franken und 1960 schließlich als bundesweite Organisation gegründet. 1962 zwischenzeitlich aufgelöst und neugegründet, stand er der Neuen Rechten nahe und kooperierte zeitweilig mit rechtsextremen Bewegungen wie der »Wiking-Jugend« oder dem »Jugendbund Adler«. Der Bund verstand sich weniger als eine Organisation denn als eine elitäre Jugendbewegung und richtete sich an Personen im Alter zwischen 7 und 26 Jahren. Sein Vereinsleben war mit seinen völkischen, nationalpolitischen und kulturrevisionistischen Elementen der bündischen Jugendbewegung der Weimarer Republik (1919–33) entlehnt. Vgl. Dudek, Peter; Jaschke, Hans-Gerd: Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Zur Tradition einer besonderen politischen Kultur, Bd. 1. Opladen 1984, S. 436–480.

  3. Gemeint sind die antisowjetischen reformorientierten Demonstrationen und Generalstreiks im Herbst 1956 in Ungarn, die durch sowjetische Truppen blutig niedergeschlagen worden waren.

  4. Gemeint sind die Arbeiterproteste im polnischen Poznań im Juni 1956, die durch die polnische Armee blutig niedergeschlagen worden waren.

  5. Am 13. August 1961 ließ die SED-Führung die Grenze zwischen Ost- und Westberlin abriegeln. Der Tag markiert den Beginn des Berliner Mauerbaus.

  6. Gemeint ist die militärische Niederschlagung der reformsozialistischen Bewegung »Prager Frühling« in der Tschechoslowakei durch Truppen der Sowjetunion und des Warschauer Paktes im August 1968.

  7. Gemeint sind die Streiks und Demonstrationen im Dezember 1970 in Polen gegen die drastische Anhebung von Nahrungsmittelpreisen. Die polnische Regierung hatte die Proteste zum Teil mit dem Einsatz von Schusswaffen und unter Inkaufnahme von Todesopfern niedergeschlagen.

  8. Gemeint ist das antisemitische Vorgehen gegen Jüdinnen und Juden unter Stalin in der Zeit zwischen 1948 und 1953. Im Zuge dessen war es zu Schauprozessen, Hinrichtungen, antisemitischen Kampagnen und zur Schließung zahlreicher jüdischer Einrichtungen gekommen.

  9. Seit dem 4.8.1953 war der 17. Juni in Gedenken an den DDR-Volksaufstand in der Bundesrepublik ein gesetzlicher Feiertag und seit 11.6.1963 ein nationaler Gedenktag. Mit der Wiederherstellung der Deutschen Einheit 1990 wurde er als Feiertag aufgehoben, blieb aber als Gedenktag bestehen.