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Explosion im VEB Faserplattenwerk Ribnitz-Damgarten

31. Oktober 1973
Information Nr. 1119/73 über das Ergebnis der Untersuchung einer Explosion mit Brandfolge im VEB Faserplattenwerk Ribnitz-Damgarten am 24. September 1973 und daraus resultierende Maßnahmen

Am 24. September 1973, gegen 7.38 Uhr, kam es im VEB Faserplattenwerk Ribnitz-Damgarten1 in der Anlage zur Herstellung von mitteldichten Faserplatten zu einer Explosion mit Brandfolge, wodurch insbesondere Gebäude, BMSR-Technik, Maschinen und Anlagen sowie Elektroinstallationen beschädigt wurden.

Es entstand ein Sachschaden von ca. einer Mio. Mark, Personenschaden trat nicht ein.

Die vom MfS und von Experten des Institutes für Bergbausicherheit durchgeführten Untersuchungen erbrachten folgendes Ergebnis:

Ausgangspunkt der Explosion war der Trockenfaserbunker TB 25. Dort hatte sich ein Glimmbrand entwickelt, der beim Austragen des Faserstoffes durch die Austragswalzen aufgewirbelt wurde. Die Folge war eine Explosion des Holzstaub-Luftgemisches im freien Raum des Trockenbunkers, die über die Ansaugöffnungen in den Bandwaagenraum schlug und dort eine gleichartige Explosion auslöste. Vom Bandwaagenraum schlug die Explosion in alle vier Trockenbunker zurück, worauf auch dort mehr oder weniger heftige Explosionen auftraten.

Der Glimmbrand im Trockenfaserbunker TB 25 entstand durch glimmende oder brennende Holzfasern, die höchstwahrscheinlich aus dem Trockner der Fertigungslinie 25 über den Zyklon Z 25, die Zellenradschleuse S 25 und den Zyklon Z 251 in den Trockenbunker gelangten.

(Die Bildung von Glutnestern infolge Anbackung von Faserstoff in den Trocknern erfolgte in der Vergangenheit im VEB Faserplattenwerk Ribnitz-Damgarten häufig. Trotz vieler vorgenommener Verbesserungen gelang es jedoch bisher nicht, eine einwandfreie technische Lösung des Problems zu finden.)

Um die Gefahr von Explosionen und Bränden auf ein Minimum zu reduzieren, ist es notwendig, folgende, die Entstehung derartiger Havarien begünstigende Bedingungen zu beseitigen:

  • 1.

    In den Düsenrohrtrocknern der Firma Büttner2 (BRD) kommt es häufig zum Anbacken des Faserstoffes. Dadurch unterliegt dieser zu lange dem Heißgasstrom und kann entzündet werden. Durch Glättung der Oberfläche im Trockenraum und Beseitigung vorhandener toter Winkel könnte dem Anbacken entgegengewirkt werden.

  • 2.

    In den Trockenfaserbunkern bestehen infolge ungünstiger konstruktiver Gestaltung größere Hohlräume, welche die Ausbildung von explosiven Holzstaub-Luftgemischen begünstigen.

  • 3.

    In der Anlage zur Herstellung mitteldichter Faserplatten sind Zellenradschleusen mit klappenartigen Gehäusewänden eingebaut. Diese beweglichen Gehäusewände setzen der Ausweitung von Explosionen keinen genügenden Widerstand entgegen.

  • 4.

    Zwischen den Zyklonen über den Trockenfaserbunkern und den nachgeschalteten Schnecken fehlen Zellenradschleusen, die eine Ausbreitung der Explosionsflamme verhindern.

  • 5.

    Aufgrund nicht abgedichteter Durchführungen von Rohrleitungen sowie nicht verschotteter Kabeldurchführungen wurde die Ausbreitung der Raumexplosion bzw. des Brandes vom Bandwaagenraum in andere Räume begünstigt.

  • 6.

    Der Bandwaagenraum und der Beleimungsraum sind nicht nach den Grundsätzen der Arbeits- und Brandschutzanordnung 31/2 (Feuer- und explosionsgefährdete Betriebsstätten)3 projektiert und ausgeführt.

Außer diesen technischen Faktoren gibt es eine Reihe von Mängeln hinsichtlich der Einhaltung von Sicherheit und Ordnung sowie der Qualifikation des Bedienungs- und Wartungspersonals:

  • 1.

    Auf nicht isolierten Heizungsrohren lagert sich infolge mangelhafter Sauberhaltung Faserstoff ab, der sich mit fortschreitender Zeitdauer entzünden kann.

  • 2.

    Öffnungen und Einstiegsluken der Anlage werden oft nicht richtig verschlossen, wodurch sich der Faser- und Staubanteil in den Produktionsräumen erhöht.

  • 3.

    In verschiedenen Bereichen des Betriebes wie z. B. auf Kabelbrücken, in Kabelschächten sowie Kabeldurchführungen wurden Putzwolle, Knüllpapier und Holzteile gefunden.

  • 4.

    Die Qualifikation des Bedienungs- und Wartungspersonals reicht für die Einhaltung des technologischen Regimes und die Beherrschung der Anlage mit ihrem hohen Automatisierungsgrad noch nicht aus.

Die bei der Untersuchung der Explosion mit Brandfolge im VEB Faserplattenwerk Ribnitz-Damgarten vom 24.9.1973 festgestellten Ursachen, insbesondere jedoch die begünstigenden Bedingungen, bestehen schon über einen längeren Zeitraum.

So wurden seit 1971 vom MfS sowie von Experten des Instituts für Bergbausicherheit mehrfach kleinere Brände bzw. Verpuffungen im Betrieb untersucht, in deren Folge der Werkleitung Vorschläge zur Beseitigung festgestellter Mängel und Gefahrenquellen sowie zur Erhöhung von Sicherheit und Ordnung unterbreitet wurden. Diese fanden jedoch nicht genügend Beachtung.

Gegenwärtig besteht im VEB Faserplattenwerk Ribnitz-Damgarten eine solche Situation, dass die Anlage zur Herstellung von mitteldichten Faserplatten vom Käufer noch nicht abgenommen worden ist, da der Leistungsnachweis im Sinne des Importvertrages nicht erfolgreich war und bereits vor der Explosion technische Mängel festgestellt wurden, die bisher nicht beseitigt worden sind.

Um weitere Verzögerungen der Nutzung dieser Anlage zur Erfüllung der volkswirtschaftlichen Aufgaben auszuschließen, eine schnellere Beseitigung aufgetretener und weiter auftretender technischer Mängel zu erreichen und diesen Prozess behindernde langwierige vertragsrechtliche Auseinandersetzungen vor ausländischen Schiedsgerichten zu vermeiden, deren Ausgang keine positiven Ergebnisse für die DDR verspricht, sollte die Durchsetzung folgender Maßnahmen geprüft werden:

  • 1.

    Der Käufer sollte unverzüglich in Verhandlungen mit dem Verkäufer eintreten mit dem Ziel, die Anlage zur Herstellung von mitteldichten Faserplatten im gegenwärtigen Zustand zu übernehmen und die Tätigkeit des ausländischen Vertragspartners zu beenden.

  • 2.

    Der Käufer strebt in den Verhandlungen eine maximale Kaufpreisminderung an, wobei der Umfang der Kaufpreisminderung von den tatsächlich erreichten Parametern, die den vertraglich vereinbarten nicht entsprechen, abhängig gemacht werden sollte.

  • 3.

    Die Funktionstüchtigkeit der Faserplattenanlage wird soweit wie möglich durch eigene Kräfte hergestellt. Kann der volle Leistungsumfang zur Herstellung der Funktionstüchtigkeit von der DDR nicht erbracht werden, sollten zur Komplettierung notwendige Importe an Ausrüstungen, Material und gegebenenfalls auch Montageleistungen durchgeführt werden.

    Entsprechende Valutamittel müssten vom Ministerium für Außenwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Dabei wären gleichzeitig die festgestellten technischen Mängel zu beseitigen bzw. Umbauten entsprechend der ABAO 31/2 (Feuer- und explosionsgefährdete Betriebsstätten) vorzunehmen, um ein Maximum an technischer Sicherheit zu erreichen.

    Die Verantwortung dafür müsste der Minister für bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie tragen.

  • 4.

    Der Bedarf an Ersatz- und Verschleißteilen ist im Rahmen der Bilanzordnung der DDR abzudecken.

  • 5.

    Der Leiter des VEB Faserplattenwerke, Ribnitz-Damgarten garantiert durch konsequente Führungs- und Leitungstätigkeit die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung nach den von der Arbeitsgruppe Organisation und Inspektion beim Vorsitzenden des Ministerrates sowie in den Untersuchungsberichten unterbreiteten Vorschlägen und intensiviert die Aus- und Weiterbildung der Werktätigen als wesentliche Voraussetzung für den effektiven und sicheren Betrieb der Anlage.

Vorgenannte Maßnahmen erscheinen geeignet, eine stabile Produktion der Anlage zur Herstellung von mitteldichten Faserplatten zu gewährleisten.

  1. Zum nächsten Dokument Straftaten im VEB Kombinat Baukeramik

    5. November 1973
    Information Nr. 1106/73 über die Begehung von Straftaten gegen die Volkswirtschaft der DDR durch zwei leitende Mitarbeiter des VEB Kombinat Baukeramik Boizenburg, [Bezirk] Schwerin

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    [ohne Datum]
    Zu einigen Aspekten der feindlichen subversiven Tätigkeit [Bericht K 2/43]