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Festnahme am S-Bahnhof Friedrichstraße

16. Februar 1973
Information Nr. 144/73 über die Festnahme von zwei Westberliner Jugendlichen auf dem Nord-Süd-Bahnsteig des S-Bahnhofes Berlin-Friedrichstraße am 12. Februar 1973

Am 12.2.1973 wurden um 14.12 Uhr auf dem Nord-Süd-Bahnsteig des S-Bahnhofes Berlin-Friedrichstraße die Westberliner Jugendlichen [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1953 in Berlin, wohnhaft Berlin 20 (Spandau), [Straße, Nr.], beschäftigt als Kaufmannslehrling im Tabakwarengeschäft Bönicke, Berlin 62, [Straße, Nr.], und [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1954 in Berlin, wohnhaft Berlin 20 (Spandau), [Straße, Nr.], beschäftigt als Kaufmannslehrling im Zoo-Geschäft des Verbrauchermarktes »Forum Steglitz«, Zweigstelle Berlin Zoo, Joachimsthaler Straße, Besitzer Dr. Jobi GmbH & Co., wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die dort diensttuende Aufsicht der Deutschen Reichsbahn1 gestellt und an die Transportpolizei2 übergeben.

Die Jugendlichen hatten während der Fahrt vom Anhalter Bahnhof nach Berlin-Friedrichstraße eine Zeitung in Brand gesetzt und diese bei Einfahrt in den Bahnhof Berlin-Friedrichstraße in die Tür eines S-Bahnwagens eingeklemmt.

Die eingeleiteten Untersuchungen der Transportpolizei und des MfS ergaben bisher:

Die Täter haben nach eigenen Angaben seit Mitte 1971 bis zu ihrer Festnahme gemeinschaftlich handelnd in großem Umfang Beschädigungen an Inneneinrichtungen der S-Bahn in Westberlin und besonders auf der Nord-Süd-Bahn vorgenommen, leere Flaschen und Zeitungen sowie Zeitschriften zielgerichtet aus den Zügen geworfen bzw. verleumderische Äußerungen gegenüber den Grenzsicherungsorganen getätigt.

Bei den Beschädigungen wurden Fensterbretter gewaltsam abgerissen, Glühlampen her-ausgeschraubt und zerstört, in den Traglastenabteilen Haltestangen heruntergerissen und Reklamescheiben zerschlagen sowie die Rahmen entfernt. Diese Gegenstände wurden dann während der Fahrt aus der S-Bahn geworfen. In der Regel wurden die Straftaten kurz nach dem Verlassen der Bahnsteige, vor der Tunneleinfahrt bzw. nach dem Verlassen des Tunnels begangen. Nach derartigen strafbaren Handlungen sahen die beschädigten S-Bahnwagen stark ramponiert aus und teilweise waren sie nicht mehr beleuchtet.

Die beiden Täter haben nach ihren Angaben von den etwa 130 Fahrten durch die Hauptstadt der DDR ca. 60 Fahrten genutzt, um Beschädigungen und Zerstörungen an den S-Bahnzügen durchzuführen.

An diesen Handlungen waren bis zum August/September 1972 weitere sechs Westberliner Jugendliche mit beteiligt. Man nutzte für die Begehung dieser Straftaten in der Regel die Rückfahrt von der Berufsschule (Tiburtius Oberschule, Berufsschule für Einzelhandelskaufleute Lichterfelde) von Lichterfelde Ost nach Gesundbrunnen durch die Hauptstadt der DDR.

In diesem Zeitraum haben die genannten Personen bei der Durchfahrt durch die Hauptstadt auf der Nord-Süd-Bahn auch fortwährend provokatorische Handlungen gegen die dort tätigen Grenzsicherungskräfte begangen. Die Handlungen umfassten vor allem das Herauswerfen von westlichen Zeitungen und sonstigen Druckerzeugnissen auf die Bahnsteige der Zwischenbahnhöfe sowie von Flaschen, vorwiegend zwischen Tunnelwand und S-Bahn.

Die genannten [Name 1] und [Name 2] haben nach eigenen Aussagen die Straftaten vor allem aus Geltungsbedürfnis und bewusster Missachtung bestehender gesetzlicher Bestimmungen sowie der öffentlichen Ordnung und aus Übermut ohne andere Einflussnahme begangen.

Die Beteiligten waren sich über die schädlichen Auswirkungen ihrer rowdyhaften Ausschreitungen bei Benutzung der S-Bahn vollkommen bewusst und schätzten auch ein, dass durch ihre Handlungen Ordnung und Reisekomfort auf der S-Bahn erheblich gestört wurden.

Nach Angaben der Täter wäre die Durchführung der Straftaten dadurch begünstigt worden, dass auf dem S-Bahngebiet die S-Bahnzüge nicht so scharf bewacht waren und auch verhältnismäßig wenige Reisende mitfahren.

Gegen die Täter [Name 1] und [Name 2] wurde ein Ermittlungsverfahren mit Haft nach § 215 StGB Absatz 1 und 23 – Rowdytum – eingeleitet.

Die weiteren Untersuchungen konzentrieren sich vor allem auf die Klärung der Motive, die Tatbeteiligung der anderen sechs Westberliner Jugendlichen sowie auf mögliche Hinweise von strafbaren Handlungen dieser Jugendlichen auf anderen S-Bahn-Strecken in Westberlin.

  1. Zum nächsten Dokument Suizid des Parteisekretärs der Ingenieurhochschule Wismar

    16. Februar 1973
    Information Nr. 145/73 über den Selbstmord des Parteisekretärs der Ingenieurhochschule Wismar, Herbert Lentzsch, am 20. Januar 1973 in Berlin-Karlshorst

  2. Zum vorherigen Dokument Amtseinführung des Bischofs Schönherr

    12. Februar 1973
    Information Nr. 129/73 über die am 11. Februar 1973 erfolgte Einführung von D. Albrecht Schönherr in sein Amt als Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg