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Festnahme aufgrund versuchter Personenschleusungen

3. Mai 1973
Information Nr. 411/73 über die Festnahme von zwei Bürgern der BRD und einem Westberliner Bürger im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung von Personenschleusungen in die BRD

1. Am 30.4.1973 wurden an der Grenzübergangsstelle Marienborn/Autobahn die BRD-Bürger [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1945, tätig als Fachberater für Möbel bei der Firma Arzberger1 in Ansbach/Bayern, wohnhaft Ansbach, [Straße, Nr.], und Bilert, Wilhelm,2 geboren am [Tag, Monat] 1937, tätig als Bauhilfsarbeiter in Ansbach/Bayern, wohnhaft Ansbach, [Straße, Nr.], festgenommen, als sie versuchten, in den Kofferräumen der von ihnen gefahrenen Pkw vom Typ »Mercedes« versteckt, vier DDR-Bürger in die BRD auszuschleusen.

Gegen [Name 1] und Bilert wurden gemäß § 105 Absatz 2 StGB (staatsfeindlicher Menschenhandel)3 Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehle erlassen.

Gegen die DDR-Bürger wurden ebenfalls Ermittlungsverfahren mit Haft gemäß §§ 100 Absatz 1 (staatsfeindliche Verbindungen)4 und 213 Absatz 1 und 2 (Ungesetzlicher Grenzübertritt) eingeleitet.5

Die bisherigen Untersuchungen des MfS ergaben, dass diese Schleusungsvorhaben von dem in Westberlin ansässigen Schleuser Mierendorff6 (früher Mitglied der Westberliner Schleuserorganisation Fuchs7) organisiert wurden.

2. Am 30.4.1973 wurde an der Grenzübergangsstelle Drewitz bei der Durchreise im Transitverkehr Westberlin – BRD der Westberliner Bürger Pretzel, Gerd, geboren am [Tag, Monat] 1947, tätig als freiberuflicher Artist, wohnhaft Westberlin-Wedding, [Straße, Nr.], auf der Grundlage eines gegen ihn am 22.8.1972 gemäß § 105 StGB (staatsfeindlicher Menschenhandel) eingeleiteten Ermittlungsverfahrens und des in diesem Zusammenhang erlassenen Haftbefehls festgenommen.

Pretzel gehörte der in der BRD ansässigen Schleuserbande [Name 2]/[Name 3] als Kurier an und beteiligte sich im Jahre 1972 unter missbräuchlicher Ausnutzung des Transitverkehrs an der Ausschleusung von mehreren DDR-Bürgern in die BRD.

Die Untersuchungen des MfS zur umfassenden Aufklärung der Ursachen, Motive und begünstigenden Bedingungen für das beabsichtigte ungesetzliche Verlassen der DDR durch die DDR-Bürger sowie über die angewandten Mittel und Methoden der Schleuser werden fortgesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens

    4. Mai 1973
    Information Nr. 359/73 über die Frühjahrssynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 31. März bis 4. April 1973 in Dresden
  2. Zum vorherigen Dokument Verhinderter Grenzdurchbruch mit Todesfolge

    30. April 1973
    Information Nr. 406/73 über einen verhinderten Grenzdurchbruch DDR – Westberlin im Bereich Berlin-Mitte, Reichstagsufer, am 27. April 1973

  1. Eine Firma Arzberger in Ansbach konnte nicht ermittelt werden.

  2. Wilhelm Bilert, Jg. 1937, Bauarbeiter, weitere Angaben zur Person konnten nicht ermittelt werden.

  3. Der § 105 Ziff. 2 StGB – staatsfeindlicher Menschenhandel – lautete: »Wer es […] (2) in Zusammenhang mit Organisationen, Einrichtungen, Gruppen oder Personen, die einen Kampf gegen die Deutsche Demokratische Republik führen, oder, mit Wirtschaftsunternehmen oder deren Vertretern unternimmt, Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in außerhalb ihres Staatsgebietes liegende Gebiete oder Staaten abzuwerben, zu verschleppen, auszuschleusen oder deren Rückkehr zu verhindern, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.« In: Ministerium der Justiz (Hg.): Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik – StGB. Textausgabe mit Sachregister. Berlin 1968, S. 46.

  4. Der § 100 StGB – Staatsfeindliche Verbindungen – lautete: »(1) Wer zu Organisationen, Einrichtungen, Gruppen oder Personen wegen ihrer gegen die Deutsche Demokratische Republik oder andere friedliebende Völker gerichteten Tätigkeit Verbindung aufnimmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.« In: Ministerium der Justiz (Hg.): Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik – StGB. Textausgabe mit Sachregister. Berlin 1968, S. 44.

  5. Der § 213 Abs. 1 und 2 StGB – Ungesetzlicher Grenzübertritt – lauteten: »(1) Wer widerrechtlich in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik eindringt oder sich darin widerrechtlich aufhält, die gesetzlichen Bestimmungen oder auferlegte Beschränkungen über Ein- und Ausreise, Reisewege und Fristen oder den Aufenthalt nicht einhält oder wer durch falsche Angaben für sich oder einen anderen eine Genehmigung zum Betreten oder Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik erschleicht oder ohne staatliche Genehmigung das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik verlässt oder in dieses nicht zurückkehrt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe oder öffentlichem Tadel bestraft. (2) In schweren Fällen wird der Täter mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft. Ein schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn 1. die Tat durch Beschädigung von Grenzsicherungsanlagen oder Mitführen dazu geeigneter Werkzeuge oder Geräte oder Mitführen von Waffen oder durch die Anwendung gefährlicher Mittel oder Methoden durchgeführt wird; 2. die Tat durch Missbrauch oder Fälschung von Ausweisen oder Grenzübertrittsdokumenten, durch Anwendung falscher derartiger Dokumente oder unter Ausnutzung eines Verstecks erfolgt; 3. die Tat von einer Gruppe begangen wird; 4. der Täter mehrfach die Tat begangen oder im Grenzgebiet versucht hat oder wegen ungesetzlichen Grenzübertritts bereits bestraft ist.« In: Ministerium der Justiz (Hg.): Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik – StGB. Textausgabe mit Sachregister. Berlin 1968, S. 79.

  6. Kay Mierendorff, Jg. 1946, Hausverwalter, Geschäftsinhaber und Fluchthelfer, bis 1974 Betrieb eines Gebrauchtwarenhandels und eines Abschleppdienstes, zugleich Hausverwalter in Westberlin, ab 1969/70 kommerzieller Fluchthelfer v. a. für andere Gruppen, ab 1974 hauptberuflicher Fluchthelfer, ab 1978 zugleich Hotelbetreiber in Bayern.

  7. Wolfgang Fuchs, Jg. 1939, Fluchthelfer, 1953–57 Lehrling und später Facharbeiter in der optischen Betriebsleitung des VEB Carl Zeiss Jena, 1957 Flucht aus der DDR, 1962–68 Fluchthelfer erst für Familienangehörige, dann auch für andere Fluchtwillige u. a. mithilfe von selbst gegrabenen Tunneln und präparierten Autos, ab 1964 auch Fluchthilfe für die Westberliner CDU bzw. für Angehörige der Exil-CDU in der DDR, ab 1967 Inhaber und Betreiber von Drogerien.