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Festnahme einer Niederländerin wegen Hilfe zu Grenzübertritt

12. September 1973
Information Nr. 940/73 über die Festnahme einer Staatsbürgerin des Königreichs der Niederlande wegen dringenden Verdachts der Beihilfe zum ungesetzlichen Grenzübertritt

Am 9.9.1973, gegen 22.30 Uhr, wurde an der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße die Staatsbürgerin der Niederlande [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1943 in Rotterdam, wohnhaft in Rotterdam, [Straße, Nr.], Angestellte bei der Firma Kuyper van Dam & Smeer, Rotterdam, auf frischer Tat wegen des dringenden Verdachts der Beihilfe zum ungesetzlichen Grenzübertritt1 eines DDR-Bürgers nach Berlin (West) festgenommen.

Die bisherigen Untersuchungen des MfS ergaben:

Die [Name 1] lernte während ihres Aufenthalts in der DDR im Dezember 1972 einen DDR-Bürger kennen, mit dem sie während eines gemeinsamen Urlaubsaufenthalts im Sommer 1973 in Ungarn übereingekommen war, ihn mittels verfälschter Reisedokumente aus der DDR auszuschleusen.

Mit dem Ziel der Realisierung dieses Vorhabens reiste die [Name 1] am 7.9.1973 als privater Messebesucher unter falschem Namen und mit dem Reisepass einer gewissen [Name 2], geborene [Name 3], [Vorname 1], geboren [Tag, Monat] 1943 in Rotterdam, wohnhaft Rotterdam 7, [Straße, Nr.], Kontorangestellte bei der Firma Ned. Melkanie,2 Reisepass der Niederlande Nr. A 055441 (Zwillingsschwester der [Name 1]) in die DDR nach Leipzig ein.

Bisherigen Aussagen zufolge will die [Name 1] ihrer Zwillingsschwester und deren Ehemann ohne deren Kenntnis die niederländischen Reisepässe entwendet haben und in den Niederlanden von einer bisher unbekannten Person durch Anbringung des Lichtbildes des DDR-Bürgers im Reisepass des [Name 2, Vorname 2], eine Fälschung vornehmen lassen haben.

Bei ihrem Zusammentreffen mit dem DDR-Bürger am 7.9.1973 in Leipzig übergab sie diesem den Reisepass des [Name 2, Vorname 2] und nahm, gemeinsam mit dem DDR-Bürger, weitere Fälschungen vor, indem sie in diesem Reisepass einen Grenzkontrollstempel und einen Visumstempel nachahmten.

Auf diese Art und Weise sollte den Grenzkontrollorganen der DDR vorgetäuscht werden, dass der niederländische Staatsbürger [Name 2, Vorname 2], in die DDR eingereist ist.

Die [Name 1] und der DDR-Bürger [Name 4, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1947, wohnhaft in Halle, [Straße, Nr.], bis August 1973 Disponent im VEB Deutrans Halle,3 zuletzt ohne Beschäftigung, parteilos geschieden, ein Kind, versuchten, am 9.9.1973, getarnt als das niederländische Ehepaar [Vorname 2] und [Vorname 1 Name 2], nach Berlin (West) auszureisen, wobei ihre Festnahme erfolgte.

In den bisherigen Untersuchungen gaben die [Name 1] und der [Name 4] an, während des vom 7. bis 13.8.1973 besuchsweisen Aufenthalts der [Name 1] in der DDR gemeinsam Schreiben an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, an die Königin der Niederlande und an die Organisation »Amnesty International«4 gerichtet zu haben, in denen sie um Unterstützung für das Vorhaben ersucht hätten.

[Name 4] will des Weiteren in einem Schreiben vorn 10.8.1973 an die Kanzlei des Staatsrates den Antrag auf Übersiedlung in die Niederlande gestellt haben.

Den an die Königin der Niederlande gerichteten Brief wollen die [Name 1] und der [Name 4] am 13.8.1973 persönlich an einen Mitarbeiter der Botschaft des Königreichs der Niederlande in der DDR übergeben haben. Im Verlauf eines etwa einstündigen Gesprächs mit dem Mitarbeiter der niederländischen Botschaft hätten sie diesem ihr Anliegen vorgetragen und um Unterstützung bei der Realisierung der Übersiedlung des DDR-Bürgers in die Niederlande ersucht.

Der Mitarbeiter der niederländischen Botschaft habe die Weiterbeförderung des ihm übergebenen Briefes zugesagt, im Verlaufe des Gesprächs ihnen gegenüber jedoch nur wenig Hoffnung auf ein positives Ergebnis gemacht und der [Name 1] und dem DDR-Bürger angeraten, sich in dieser Angelegenheit an die zuständigen Staatsorgane der DDR zu wenden.

Gegen die [Name 1] und den DDR-Bürger wurden gemäß § 213 StGB (Ungesetzlicher Grenzübertritt) Ermittlungsverfahren eingeleitet und auf der gleichen Rechtsgrundlage Haftbefehle erlassen.

Die Untersuchungen des MfS werden fortgesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Provokation gegen das Gebäude des Staatsrates der DDR

    12. September 1973
    Information Nr. 947/73 über provokatorische Handlungen einer Westberliner Bürgerin gegen das Gebäude des Staatsrates der DDR am 12. September 1973

  2. Zum vorherigen Dokument Festnahme von Westberlinern wegen versuchter Ausschleusung

    12. September 1973
    Information Nr. 939/73 über die Festnahme von zwei Westberliner Bürgern wegen des Versuchs der Ausschleusung eines DDR-Bürgers