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Festnahme eines Kuriers der Organisation Löffler

20. März 1973
Information Nr. 278/73 über die Festnahme eines Kuriers der Menschenhändlerorganisation Löffler und dreier Westberliner Bürger wegen staatsfeindlichen Menschenhandels

Am 18.3.1973 wurde der Kurier der professionellen Menschenhändlerorganisation1 Löffler,2 der Palästinenser [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1949, wohnhaft Westberlin 36, [Straße, Nr.], zuletzt tätig als Gelegenheitsarbeiter, festgenommen, als er in der Hauptstadt der DDR auftragsgemäß DDR-Bürger über die Realisierung der vereinbarten Ausschleusung instruierte, die auf dem Luftwege über Warschau erfolgen sollte.

Am 17.3.1973 erfolgte an der Grenzübergangsstelle Drewitz die Festnahme des Westberliner Bürgers [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1946, wohnhaft Westberlin 65, [Straße, Nr.], ohne festes Arbeitsverhältnis (achtmal vorbestraft, am 7.11.1972 in der DDR amnestiert3 und nach Aberkennung der Staatsbürgerschaft der DDR nach Westberlin entlassen), am 18.3.1973, gegen 0.30 Uhr, an der Grenzübergangsstelle Georgenplatz die Festnahme des Westberliner Bürgers Jörger, Klaus,4 geboren am [Tag, Monat] 1939, wohnhaft Westberlin, [Straße, Nr.], zuletzt tätig als Spritzlackierer, und am 18.3.1973, gegen 22.50 Uhr, an der Grenzübergangsstelle Rudower Chaussee die Festnahme des Westberliner Bürgers [Name 3, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1956, wohnhaft Westberlin 30, [Straße, Nr.], Betonbauer-Lehrling (mehrfach vorbestraft).

Alle drei Westberliner Bürger versuchten – unabhängig voneinander handelnd – ohne Personal- und Grenzübertrittsdokumente, die ihnen angeblich gestohlen worden bzw. abhandengekommen wären, nach Westberlin auszureisen.

Die Überprüfungen des MfS ergaben, dass mit den Grenzübertrittsdokumenten der Westberliner Bürger unter Ausnutzung des Ähnlichkeitsprinzips zwei DDR-Bürger bereits nach Westberlin ausgereist waren, während in einem Fall die Festnahme eines DDR-Bürgers beim Versuch der Ausreise nach Westberlin erfolgte.5

Gegen den palästinensischen Bürger und die drei Westberliner Bürger wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehle erlassen.

Die Untersuchungen des MfS zur umfassenden Aufklärung der Ursachen, Motive und begünstigenden Bedingungen, der Täterpersönlichkeiten und insbesondere der Aktivitäten der Menschenhändlerorganisation Löffler werden fortgesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Meinungen zum vorgesehenen Verkauf von Kunstgegenständen

    26. März 1973
    Information Nr. 274/73 über Meinungsäußerungen zum vorgesehenen Verkauf von Kunstgegenständen aus den Beständen der staatlichen Kunstsammlungen der DDR
  2. Zum vorherigen Dokument Festnahme eines Schleusers der Organisation Löffler

    19. März 1973
    Information Nr. 283/73 über die Festnahme eines Kuriers der Westberliner Menschenhändlerorganisation Löffler

  1. Als Menschenhändlerorganisation, -zentrale oder -bande wurden in der DDR Gruppen von Menschen bezeichnet, die die Flucht von Personen aus der DDR organisierten. Ihr Handeln wurde in der DDR als staatsfeindlicher Menschenhandel und organisiertes Verbrechen strafrechtlich verfolgt.

  2. Wolfgang Löffler, Jg. 1925, Fluchthelfer, spätestens ab 1961 Betreiber eines Reisebüros in Westberlin gemeinsam mit Horst Dawid, ab 1961 zunehmend Fluchthelfer, ab 1963 gemeinsam mit Dawid professioneller kommerzieller Fluchthelfer, 1966 in Westberlin zeitweise inhaftiert.

  3. Der Staatsrat der DDR erließ am 6.10.1972 eine Amnestie für Personen, die vor dem 7.10.1972 zu Strafen mit oder ohne Freiheitsentzug verurteilt worden waren. Ausgenommen waren Verurteilte wegen Mordes, Sittlichkeitsverbrechen, Gewaltverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder wegen Verbrechen gemäß dem Völkerrecht bzw. internationaler Abkommen sowie Wiederholungstäter. Die von der Amnestie betroffenen Personen wurden schrittweise im Zeitraum vom 1.11.1972 bis 31.1.1973 entlassen bzw. begnadigt. Vgl. Beschluss über Amnestie aus Anlass des 23. Jahrestages der Gründung der DDR. In: Berliner Zeitung v. 7.10.1972, S. 2.

  4. Klaus Jörger, Jg. 1939, Lackierer, weitere Angaben zur Person konnten nicht ermittelt werden.

  5. Dieses Fluchtprinzip, die sogenannte Opfer- oder Bleibertour, nutzten die Fluchthelfer seit Mitte der 1960er-Jahre verstärkt. Dabei wurden Mittelspersonen mit westdeutschem Pass wissentlich oder unwissentlich in die DDR geschickt. Anschließend übergaben sie ihre Ausweise an ähnlich aussehende Ausreisewillige, die mit den fremden Pässen die Grenze passierten. Zahlreiche der Mittelspersonen blieben ohne Ausweise in der DDR zurück und waren bei dem Versuch, die Grenze dennoch zu passieren, stets der Gefahr einer Verhaftung ausgesetzt. Vgl. Detjen, Marion: Ein Loch in der Mauer. Die Geschichte der Fluchthilfe im geteilten Deutschland 1961–1989. München 2005, S. 242.