Fronleichnamsprozessionen der katholischen Kirche in der DDR
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Information Nr. 567/73 über die Fronleichnamsprozessionen der katholischen Kirche am 21. Juni 1973 in der DDR
Dem MfS wurde bekannt, dass am 21.6.1973 in allen katholischen Gemeinden der DDR Fronleichnamsprozessionen1 stattfinden. Diese Wallfahrten werden jährlich zwölf Tage nach Pfingsten durchgeführt.
Nach Absprache zwischen der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des ZK und dem Staatssekretariat für Kirchenfragen ist die Fronleichnamsprozession am 21.6.1973 durch die Volkspolizei genehmigt worden.
(In Berlin wird diese Prozession erstmals wieder seit 1939 vor der St. Hedwigs-Kathedrale abgehalten.
Von 1939 bis 1945 waren diese Prozessionen durch die Nazis verboten worden.2 Von 1945 bis 1972 fanden die Prozessionen, da die Hedwigskathedrale zum Teil zerstört war, auf dem Humannplatz und in der dortigen katholischen Kirche »Heilige Familie« statt. In der Vergangenheit nahmen an dieser Prozession ca. 4 000 bis 5 000 Katholiken teil.)
Im Zusammenhang mit diesen Prozessionen in allen katholischen Gemeinden der DDR wurde dem MfS intern bekannt, dass innerhalb der katholischen Gemeinde in Frankfurt/Oder Handzettel des Pfarramtes in Umlauf gebracht wurden, in dem alle Gemeindemitglieder auf die Möglichkeit der Teilnahme an der Fronleichnamsprozession in Słubice/VR Polen hingewiesen werden.
(In der katholischen Gemeinde Frankfurt/Oder findet in diesem Jahr keine Prozession statt, da sich der Pfarrer dieser Gemeinde, Richter,3 zurzeit zu einem Urlaubsaufenthalt in Bulgarien aufhält.)
Bereits im vorigen Jahr hat eine große Anzahl katholischer Gläubiger aus Frankfurt/Oder an der Prozession in Słubice teilgenommen.
Es wird vorgeschlagen, dass das Staatssekretariat für Kirchenfragen in Abstimmung mit dem ZK der SED das Ordinariat offiziell auffordern sollte, eine organisierte Teilnahme von DDR-Bürgern an der Fronleichnamprozession in Słubice zu unterbinden.
Anlage zur Information Nr. 567/73
Innerkirchliche Mitteilung
12 Frankfurt/O., 2. Juni 1973 | Stiftsplatz 12, Tel. 22769 | Katholische Kirchengemeinde | Kl. Kreuz
Mancherlei, – auch kluge Worte,
hörte ich auf der ersten Sitzung der Pastoralsynode der DDR in Dresden.4 Nichts aber hat mich derart berührt, wie die in russischer Sprache vorgetragenen Grußworte des zum Moskauer Patriachat gehörenden Priesters Michail Turčin. Darin sagte er:
»Unwillkürlich wenden sich meine Gedanken der Geschichte unserer Russischen Orthodoxen Kirche zu, die, strukturell äußerst patriarchalisch zurückgeblieben, unter völlig neuen ökonomischen Bedingungen einen Weg finden konnte, weiter zu existieren. Und sie existiert nicht nur einfach weiter, sie wurde unter den orthodoxen Kirchen des Ostens nicht nur zahlenmäßig die größte, sondern auch steht sie qualitativ an der Spitze. Ich frage mich, wodurch ist das möglich geworden? Etwa durch die Weisheit der Hierarchie oder durch den Modus vivendi, den der verstorbene Patriarch Sergij gefunden hat? Oder vielleicht durch die Kraft der Tradition oder durch das Beharrungsvermögen der Kirche? Oder vielleicht durch den starken Glauben des russischen Volkes? Oder durch ihre Armut im Geiste, denn der Herr hat ja gesagt: ›Meine Kraft kommt in den Schwachen zur Vollendung‹. Oder nicht doch vielmehr durch die wirksame Gnade des Heiligen Geistes, der das Überflüssige wegnimmt, das Fehlende ergänzt und das Kranke heilt ...«5
Gegenwart und Zukunft unserer Gemeinde musste ich da bedenken. Wie wir weniger werden, wie wir uns so schwer tun unsere Botschaft in einer den Menschen unserer Zeit verständlichen Sprache zu reden, wie wir uns um Kleinigkeiten große Sorgen machen, es kaum fertigbringen, uns von überkommenen Formen zu lösen, wie wir stöhnen, wenn uns etwas genommen wird …
Was täte uns da die Sicht des Priesters aus der Sowjetunion gut, der das Weiterbestehen, ja die gute Zukunft seiner Kirche nicht im menschlichen Sorgen, Klagen und Mühen bewirkt sieht, sondern vielmehr »durch die wirksame Gnade des Heiligen Geistes, der das Überflüssige wegnimmt, das Fehlende ergänzt und das Kranke heilt«. Das allerdings ist eine Sicht des Glaubens.6
Diese Sicht würde ich uns allen, der Gemeinde wie ihrer Leitung als Gabe des Pfingstfestes wünschen.
Ihr [Unterschrift]
(Nur für den innerpfarrl[ichen] Gebrauch)