Grenzdurchbruch unter Auslösung von Minen
23. August 1973
Information Nr. 844/73 über einen Grenzdurchbruch DDR – BRD durch Überwindung der Grenzsicherungsanlagen unter Auslösung von Minen
Am 22.8.1973, gegen 3.00 Uhr, durchbrach im Grenzabschnitt Teistungen, Kreis Worbis, ca. 200 Meter südlich der Grenzübergangsstelle Worbis – Duderstadt, der DDR-Bürger [Name, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1956 in Bleicherode, wohnhaft in Bleicherode, [Straße, Nr.], tätig gewesen als Schlosser im VEB IFA-Motorenwerk Nordhausen die Grenzsicherungsanlagen und verließ die DDR ungesetzlich nach der BRD.
Bei der Überwindung der Grenzsicherungsanlagen löste [Name] mehrere Minendetonationen aus, wobei er sich leichte Verletzungen zuzog.
Westlichen Meldungen zufolge wurde der Grenzverletzer durch fünf Splitter verletzt und befindet sich im Krankenhaus Duderstadt.1
Die bisherigen Überprüfungen durch das MfS ergaben, dass sich [Name] unter dem Schutz der Dunkelheit und unter Ausnutzung des Umstandes, dass dieser Grenzabschnitt nicht durch Grenzposten gesichert ist, ungehindert bis an die Grenzsicherungsanlagen bewegen konnte.
Der Grenzverletzer überkletterte den Grenzsicherungszaun, durchquerte das Flussbett der Hahle (Wasserstand 25 cm) und überschritt den 6-m-Kontrollstreifen durch Unterqueren einer nicht gesicherten Brücke.
Die in 70 m Entfernung vom Tatort eingesetzten Grenzsicherungskräfte der NVA bemerkten die Annäherung des Grenzverletzers nicht.2
Die nach Auslösung der Minendetonation eingeleiteten Überprüfungen durch die Grenztruppe der NVA führten erst nach zweieinhalb Stunden zur Feststellung des Grenzdurchbruches, da der Täter durch seine Bewegungen keine Spuren hinterließ.
Zur Person des Grenzverletzers wurde bekannt, dass dieser einer Arbeiterfamilie entstammt, zu der weitere sieben Kinder gehören. Der Vater des [Name] ist 1973 verstorben und die Mutter hat große Schwierigkeiten mit der Erziehung ihrer Kinder.
Der Grenzverletzer trat in der beruflichen und gesellschaftlichen Entwicklung bisher nicht negativ in Erscheinung.
Zum Zeitpunkt der Tat befand er sich im Jahresurlaub. Zum Motiv und den Ursachen des ungesetzlichen Grenzübertrittes gibt es bisher noch keine Hinweise.
Durch Beobachtung wurde festgestellt, dass sich am 22.8.1973 ganztägig mehrere Angehörige des Bundesgrenzschutzes und des Zollgrenzdienstes in der Nähe der Durchbruchstelle im westlichen Vorfeld aufhielten. Provokatorische Handlungen wurden von diesen Kräften nicht durchgeführt.
Am 22.8.1973, gegen 19.30 Uhr, lief beim Rat des Kreises Erfurt ein Fernschreiben des Bundesgrenzschutzes an den Kommandeur des Grenzkommandos Süd/Erfurt ein.
In diesem Fernschreiben wird durch den Brigadegeneral im BGS des Grenzschutzkommandos Süd, Kühne,3 im Auftrag des Bundesministers des Innern der »eindringliche Appell gerichtet, aus humanitären Gründen Maßnahmen zu treffen, die eine derartige Gefährdung von Leib und Leben ausschließen«.
Die Untersuchungen des MfS zur umfassenden Aufklärung des Grenzdurchbruches werden fortgesetzt.