Kanzelabkündigung der Ev.-Luth. Kirche Thüringens
22. Dezember 1973
Information Nr. 1316/73 über eine geplante Kanzelabkündigung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Thüringen zu Weihnachten 1973
Die geplante Kanzelabkündigung geht auf eine Festlegung der letzten Synode der Landeskirche Thüringen (16. bis 19.11.1973) in Eisenach zurück. Bereits vor dieser Synode hatten die reaktionären Superintendenten Leich/Lobenstei1n und Große/Saalfeld2 umfangreiche Aktivitäten entwickelt, die Diskussion über angebliche Behinderungen christlicher Menschen zu forcieren und der Synode aufzuzwingen. Dazu benutzten sie insbesondere den Superintendenten-Konvent in Vorbereitung der Synode. Es gelang ihnen, unter Ausnutzung der neuen Zusammensetzung der Synode die Stimmen sehr vieler neugewählter Synodaler für ihren Antrag zu einer weihnachtlichen Kanzelabkündigung zu Schul- und Erziehungsfragen zu gewinnen.
Die Kanzelabkündigung (siehe Anlage) befasst sich im Wesentlichen mit theologischen Fragen der christlichen Erziehung der Kinder.
In einigen Passagen wird jedoch offensichtlich Bezug auf die angebliche Behinderung christlicher Eltern und Kinder genommen.
Anlage zur Information Nr. 1316/73
[Kanzelabkündigung]
Liebe Gemeinde, besonders aber liebe christliche Eltern!
Die Weihnachtsgeschichte führt uns wieder vor die Krippe. In ihr liegt das Kind, in dem Gottes Barmherzigkeit zu uns Menschen gekommen ist und das uns den Zugang zu Gott schenkt.
Arm und schutzlos liegt das Kind in der Krippe inmitten einer dunklen, gottfeindlichen Welt. Von Anfang an sind Vater und Mutter gerufen, über diesem Kinde zu wachen. Maria bewegt alles, was sie über diesem Kinde hört, »in einem feinen und guten Herzen«, bewahrt es für ihr Kind; Josef aber ist dazu berufen, das Kind dem Zugriff seiner Feinde zu entziehen. Er geht mit der Mutter und dem Kinde nach Ägypten, da die Feinde dem Kinde nach dem Leben trachten.
Die Geschichte hat auch heute für uns, die wir Eltern christlicher Kinder sind, ihre ganz besondere Bedeutung. Sie erinnert uns daran, dass unsere Kinder, wenn sie sich zu Jesus Christus haben rufen lassen und getauft worden sind, von Anfang an in eine Welt kommen, die den keimenden und wachsenden Glauben dieses Kindes infrage stellt und auslöschen möchte. Diese Welt weiß nichts von der Offenbarung Gottes und damit von der Größe des Geschenkes, das einem Menschen mit dem Glauben gegeben ist.
Sie meint, diesen Glauben als eine Bedrohung ihrer eigenen Ideen und ihrer eigenen Herrschaft sehen zu sollen. Sie meint darum, diesen Glauben bekämpfen zu müssen. So wie dies die Weihnachtsgeschichte uns heute wieder ins Gedächtnis ruft, so erinnert sie uns mit den Gestalten von Maria und Josef an unsere große Aufgabe, die wir für unsere Kinder als Eltern erfüllen müssen. Wir haben sie zur Taufe gebracht, weil wir an Gott glauben. Wir haben sie zur Christenlehre geführt und bereiten sie zur Konfirmation vor. Wir sind darum gerufen, alles zu tun, was ihren Glauben stärkt und alles abzuwehren, was den Glauben unserer Kinder infragestellt oder ausschalten möchte. In einer Zeit, in der wir als Christen mit Nichtchristen zusammenleben, haben wir damit auch die Aufgabe, all denen gegenüber, die unseren und unserer Kinder Glauben infrage stellen, in aller Deutlichkeit zu sagen, dass wir und unsere Kinder Christen sind. Wir haben die Pflicht, all diejenigen anzusprechen, die – aus welchen Gründen auch immer – unsere Kinder bewegen wollen, ihre Bindung an die Kirche und ihren Glauben aufzugeben und sie auf die Gewissens- und Glaubensfreiheit in unserem Staat aufmerksam zu machen.
Mehr aber als diese äußere Schutzfunktion haben wir noch eine andere Aufgabe an und mit unseren Kindern. Der Glaube, aus dem heraus wir unsere Kinder zur Taufe gebracht haben, wird auch in diesen Kindern am stärksten geschützt und wachsen, wenn wir selbst als gläubige Menschen mit unseren Kindern im Leben stehen und ihnen durch unsere Teilnahme am Leben unserer Kirche durch treuen Gang zum Gottesdienst, durch tägliches Gebet und durch die Bibellese bezeugen, was uns der christliche Glaube bedeutet.
Aus zahlreichen Gesprächen weiß ich, wie sehr unsere Gemeinden und auch wir Eltern unsicher und ängstlich geworden sind im Blick auf diese Aufgabe. Die Weihnachtsbotschaft will uns gewiss und zuversichtlich machen auch für das, was wir an unseren Kindern zu tun haben. Denn es geht nicht nur darum, mit unserer eigenen Vernunft und Kraft einen guten Weg für unsere Kinder unter Ausnutzung aller gesetzlichen Möglichkeiten zu finden, sondern es geht darum, dass wir im Geleit und aus der Kraft dessen, der alle Tage bei uns ist, getrost und zuversichtlich festhalten am Segen Gottes, der das Heil für uns und unsere Kinder ist.
Das zeigt uns die Weihnachtsgeschichte in ihrer Botschaft, die auch uns heute wieder zuruft:
»Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren.«