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Konferenz der katholischen Studentenpfarrer

13. November 1973
Information Nr. 1156/73 über die Konferenz der katholischen Studentenpfarrer der BRD und der DDR in der Zeit vom 2. Oktober bis 4. Oktober 1973 in der Hauptstadt Berlin

Dem MfS wurden Einzelheiten über den Verlauf der Konferenz der katholischen Studentenpfarrer, die vom 2.10. bis 4.10.1973 im Bischöflichen Bildungsheim Berlin-Prenzlauer Berg, Pappelallee 61, stattfand, bekannt, wobei bemerkenswerte Einzelheiten im Folgenden wiedergegeben werden:

(Diese Konferenz findet jährlich statt mit dem Ziel, aktuelle Grundfragen der katholischen Studentenpfarrer zu behandeln und über die Aufgaben für das kommende Jahr zu beraten.)

An der diesjährigen Beratung nahmen aus der BRD teil:

  • Studentenpfarrer Ferdinand Kerstiens,1 Münster

  • Studentenpfarrer Stefan Richter,2 Dortmund

  • Studentenpfarrer Helmut Welsch,3 Freiburg

  • die Studentenpfarrer aus Aachen, Würzburg und Mainz

  • eine Pastoralassistentin aus Mainz

sowie [Vorname Name 1], Westberlin, als Vertreterin des »Berliner« Bildungszentrums der »Katholischen deutschen Studenteneinigung« (KDSE).4

Das Hauptreferat zum Thema »Die Sache Jesus«, gehalten von Klaus Schäfer,5 Frankfurt/Main (SJ), beschäftigte sich im Wesentlichen mit theologischen Problemen.

In der nachfolgenden Diskussion standen neben den theologischen Fragen besonders folgende Probleme im Mittelpunkt:

Gegenwärtig würden sich die bereits seit drei Jahren geführten Auseinandersetzungen zwischen katholischen Studentenpfarrern der BRD und katholischen Bischöfen der BRD über eine Auflösung der KDSE in der BRD und die Schaffung einer Nachfolgeorganisation zuspitzen. Die Forderung nach Auflösung der KDSE werde von katholischen Bischöfen immer deutlicher erhoben.6

Ursache dieser Forderung sei das angeblich gesellschaftskritische Verhalten und Engagement mit linksgerichteten Kräften durch katholische Studentenpfarrer. Für 1973 seien bereits alle finanziellen Zuwendungen für die KDSE, die vorher von der katholischen Bischofskonferenz der BRD7 und vom »Ministerium für innerdeutsche Beziehungen« an die KDSE überwiesen worden waren, gestrichen worden.

Von dieser Streichung sei auch die Katholische Studentenpfarrerkonferenz in der DDR betroffen, die einen Teil der von der katholischen Bischofskonferenz der BRD und vom »Ministerium für innerdeutsche Beziehungen« der KDSE überwiesenen Beträge über ein Transfer-Konto (Prälat Dissemond8) an den Vorsitzenden der Katholischen Studentenpfarrerkonferenz in der DDR zur Verfügung erhielt.

Keine Konsequenzen würden sich aus dieser Streichung für die Aufrechterhaltung der sogenannten Partnerschaftsverbindungen ergeben (Beziehungen zwischen katholischen Studentengemeinden der BRD und der DDR), weil die westdeutschen Studentengemeinden die hierfür erforderlichen Mittel selbst aufbrächten.

Im Zusammenhang mit der Streichung der finanziellen Mittel erklärte Studentenpfarrer Richter/Dortmund (der zum reaktionären Kreis der Studentenpfarrer in der BRD gehört), die katholischen Bischöfe in der BRD würden sich insbesondere gegen den ersten Vorsitzenden der KDSE, Klaus Lang,9 stellen, der »die Rolle des politischen Einpeitschers« gespielt habe.

Lang sei geraten worden, von seiner Funktion zurückzutreten, und von ihm liege deshalb auch ein Rücktrittsgesuch zum 31.12.1973 vor.10 Lang habe jedoch geäußert, dass er für eine Nachfolgeorganisation wieder kandidieren werde. Dies würde, so betonte Richter, wieder zu neuen Schwierigkeiten mit den Bischöfen der BRD führen.

Von den Studentenpfarrern aus der BRD wurde die Konferenz weiter darüber informiert, im August dieses Jahres habe ein Gespräch zwischen einigen Bischöfen und bischöflichen Vertretern mit Studentenpfarrern und Vertretern der KDSE stattgefunden, bei dem über die Gründung einer Nachfolgeorganisation für die KDSE beraten wurde.

Beide Seiten hätten Vorstellungen über Aufgaben und Ziele einer Nachfolgeorganisation entwickelt, wären aber nicht zur Übereinstimmung gelangt. Es sei jedoch »unter dem Druck der finanziellen Verhältnisse« ein Nachgeben aller interessierten Kreise zu vermuten. Die Studentenpfarrer der BRD betrachten, so wurde wiederholt zum Ausdruck gebracht, diese Entwicklung als ihre Niederlage, sie seien sich aber über die Notwendigkeit einer schützenden Dachorganisation im Klaren.

Gegenwärtig, so wurde während der Konferenz weiter betont, fordere das »Ministerium für innerdeutsche Beziehungen« von der KDSE keine Berichte von den katholischen BRD-Studentengemeinden über stattgefundene Partnerschaftstreffen. Es wäre aber sicher, dass die neue Dachorganisation, wenn sie wie die KDSE von dort finanziert werde, entsprechend berichten müsse.

Studentenpfarrer Kerstiens, Münster, brachte in diesem Zusammenhang im engeren Kreis zum Ausdruck, die Gelder der Bundesregierung seien meist über die »Akademiker-Bonifatius-Einigung«11 an die KDSE überwiesen worden, die auch mehrfach als Mittler zwischen Bundesregierung und KDSE aufgetreten sei.

Diese »Mittlerrolle« werde auch in der gegenwärtigen Etappe deutlich, indem von dieser Organisation entsprechende Vorschläge hinsichtlich einer Nachfolgeorganisation vorgetragen werden.

Zum Entwurf des neuen Jugendgesetzes der DDR12 machte die Pastoralassistentin [Vorname Name 2], Erfurt, längere Ausführungen. Sie stellte u. a. fest, für die Kirche bedeute dies, dass die atheistische Erziehung, die »Diskriminierung von Christen, die Nichtzulassung zur EOS und zum Studium« nun geltendes Gesetz werde. Die sich anschließend entwickelnde Praxis würde »noch weiter von dem wegführen, was die Christen wollen«.

Die [Name 2] informierte in diesem Zusammenhang über eine Eingabe der katholischen Kirche zum neuen Jugendgesetz, ohne hierzu nähere Angaben zu machen.13

Eine Diskussion zu dem Thema entwickelte sich nicht.

In der Diskussion zu den X. Weltfestspielen14 trat insbesondere Studentenpfarrer Göbel,15 Halle, in Erscheinung.

Er brachte zum Ausdruck, der Sinn dieses großen Festes für die sozialistischen Länder habe vor allem darin bestanden, »die Menschen vom Denken abzuhalten«. Das Gefährliche sei, dass die Menschen in ihrer Begeisterung über das Festival zu der Meinung gelangen, »man könne also auch den Sozialismus in Kauf nehmen«.

In internen Gesprächen wurde von Teilnehmern der Konferenz der katholischen Studentenpfarrer eingeschätzt, es zeichne sich in den letzten Jahren immer mehr die Tendenz ab, wonach die Teilnehmer der Konferenz aus der DDR die meisten Diskussionsbeiträge und Vorschläge vortragen würden. Vorher wäre das Übergewicht der westdeutschen Teilnehmer (sowohl zahlenmäßig als auch von der inhaltlichen Ausgestaltung her) für alle spürbar gewesen, und die Studentenpfarrer aus der DDR hätten sich durch das bestehende finanzielle Abhängigkeitsverhältnis untergeordnet.

Jetzt werde die Unterschiedlichkeit der anstehenden Probleme der katholischen Studentenpfarrer der DDR und der BRD immer deutlicher. Dies hätte während der Konferenz vom 2.10. bis 4.10.1973 u. a. zu einer getrennten Beratung in Arbeitsgruppen der DDR und der BRD geführt, wobei beide Arbeitsgruppen jeweils ihre für sie spezifischen Probleme behandelten.

Diese Information ist wegen Quellengefährdung nicht zur öffentlichen Auswertung bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Verkehrsunfall auf der Autobahn Leipzig– Berliner Ring

    14. November 1973
    Information Nr. 1166/73 über den schweren Straßenverkehrsunfall auf der Autobahn Leipzig – Berliner Ring am 6. November 1973

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    10. November 1973
    Information Nr. 1260/73 über die Kollision eines Dienstbootes der Grenztruppen der DDR mit einem BRD-Tankmotorschiff auf der Elbe am 10. Dezember 1973