Konferenz der Siebenten-Tags-Adventisten
1. August 1973
Information Nr. 740/73 über die Konferenz der Religionsgemeinschaft »Siebenten-Tags-Adventisten« vom 28. Juni 1973 bis 1. Juli 1973 in Friedensau
In der Zeit vom 28.6. bis 1.7.1973 führte die Religionsgemeinschaft »Siebenten-Tags-Adventisten«1 in der DDR ihre in Abständen von vier Jahren stattfindende Ordentliche Konferenz in Friedensau, Kreis Burg, Bezirk Magdeburg, durch.2
Das Thema der Tagung lautete: »Ergreife das Leben«.
Teilnehmer waren ca. 260 Delegierte aus allen Bezirken der DDR.
Als Gäste waren Funktionäre dieser Religionsgemeinschaft aus der BRD, Westberlin, der Schweiz, Österreich und der ČSSR anwesend, unter ihnen Zurcher, Jean,3 wohnhaft Basel/Schweiz, Sekretär der Euro-Afrika-Division,4 und Heinz, Johann,5 wohnhaft St. Peter/Österreich, Dozent der österreichischen Bibelschule.
In der Einladung zu der Konferenz waren die Gemeinden aufgefordert worden, sich besonders mit dem Problem »Welche inneren Schwierigkeiten stehen den Aufgaben der Gemeinde in den 1970er-Jahren im Wege? Wie können diese Hindernisse überwunden werden?« zu beschäftigen und in diesem Zusammenhang entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.
Die Tagung wurde am 28.6.1973 um 14.00 Uhr durch das Mitglied des Verbandsausschusses Mager/Berlin6 eröffnet. Nach der Begrüßung erstattete der Verbandsvorsteher Böttcher/Berlin7 den Rechenschaftsbericht. Böttcher betonte u. a., dass in den 332 Gemeinden der Religionsgemeinschaft in der DDR die Tätigkeit ohne jegliche Behinderung durchgeführt werden konnte. Die Arbeit in den Gemeinden würde von 147 Predigern und 320 Missionshelfern geleistet.
Darüber hinaus würden viele Anhänger die Arbeit durch aktive Werbetätigkeit unterstützen. (Der Religionsgemeinschaft in der DDR gehören ca. 12 000 getaufte Mitglieder an; hinzu kommen ca. 10 000 nicht getaufte Anhänger.)
Böttcher erklärte weiter, die Arbeit der Heimatmissionsabteilung unter Leitung von Hennig/Berlin8 habe es ermöglicht, Ende 1972 mit besonderen Rüstzeiten zu beginnen, die den Anhängern »geistige und praktische Zurüstung für den Dienst« gaben.
Die Arbeitsgemeinschaft für Evangelisation habe unter Leitung von Mager/Berlin ihre Tätigkeit durch unmittelbare praktische Anleitung der Prediger erfüllt.
Das Seminar der Religionsgemeinschaft in Friedensau habe fast 4 000 Personen durch Bibellehrbriefe mit den Glaubenslehren der »Siebenten-Tags-Adventisten« vertraut gemacht. Dadurch wäre erreicht worden, dass sich im Berichtszeitraum ca. 500 Personen taufen ließen.9
Als einen besonderen Höhepunkt bezeichnete Böttcher die im Juli 1972 in Friedensau durchgeführte Bibelwoche, an der ca. 800 Jugendliche teilgenommen hätten.
Böttcher betonte, dass seit dem 1.7.1971 die Grenzen der sechs Vereinigungen der »Siebenten-Tags-Adventisten« den Grenzen der staatlichen Bezirke angepasst seien.10
Seit dem 1.1.1972 gehöre die »Union der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten in der DDR« zur Euro-Afrika-Division und sei damit fest mit der »Weltarbeitsgemeinschaft«11 verknüpft. Die Verbindungen zum Weltwerk hätten sich seitdem stärker entwickelt. So hätten erstmalig wieder Mitglieder der Religionsgemeinschaft aus der DDR an der Generalkonferenz in Atlantic City/USA teilnehmen können, und die Religionsgemeinschaft habe zu den Vereinigungskonferenzen in der DDR Gäste aus der VR Polen, der ČSSR, der VR Ungarn, der Schweiz, Österreich und Finnland begrüßen können. Seitens der »Weltarbeitsgemeinschaft« hätten Präsident Pierson/USA12 und Dower/USA13 die Religionsgemeinschaft in der DDR besucht.
Böttcher forderte die Anwesenden zu unbedingter Glaubenstreue auf, um so jeglichen Anfechtungen widerstehen zu können.
Anschließend wurden die Ausschüsse
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für Ernennungen
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für Beglaubigungen
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für Pläne
gewählt.
Die Aufgabe des Ausschusses für Ernennungen bestand darin, den neuen Verbandsausschuss vorzuschlagen, der dann von dem Ausschuss für Beglaubigungen bestätigt werden musste.
Wesentliche personelle Veränderungen ergaben sich dabei nicht. Als Verbandsvorsteher wurde Böttcher, Manfred/Berlin wieder bestätigt, ebenso die einzelnen Abteilungsleiter Hennig, Mager und Reiche/alle Berlin.14
Seitens der Delegierten wurde kritisiert, dass keine Frau für eine Funktion im Verbandsausschuss vorgeschlagen wurde. Da sich der größte Teil der Delegierten für die Wahl einer Frau aussprach, wurde die Lektorin im Verband Poller, Renate/Berlin,15 einstimmig gewählt.
In den Ausschüssen Beglaubigungen und Pläne wurden nur unwesentliche innerkirchliche Fragen besprochen.
Die Konferenz wurde mit Beratungen in den einzelnen Ausschüssen fortgesetzt. Dazu wurden zwölf Arbeitsgruppen gebildet. Die Arbeitsgruppen befassten sich in der Regel mit religiösen Problemen mit dem Ziel, die Aktivität in den Gemeinden der »Siebenten-Tags-Adventisten« zu verstärken. So ging z. B. die Arbeitsgruppe 10, die sich mit dem Thema »Der Prediger in der Welt« beschäftigte, auf die Organisierung und Durchführung der Evangelisation (Werbetätigkeit) ein. Die Arbeitsgruppe vertrat den Standpunkt, dass eine Evangelisation langfristig und kontinuierlich vorbereitet werden müsse. Dazu sollen Möglichkeiten der Information wie Schaukästen, Zeitungen, Handzettel usw. genutzt werden.
Die Arbeitsgruppe 12 behandelte das Thema: »Unsere Stellung in der Gesellschaft«. Dazu wurden den Delegierten u. a. folgende Fragen als Diskussionsgrundlage übergeben:
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Ist es erforderlich, über unseren Standort und unsere Verantwortung in der Gesellschaft zu sprechen?
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Genügt es, eine Gesellschaftsordnung als gegeben hinzunehmen?
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Welche Verantwortung tragen wir als Christen in der sozialistischen Gesellschaft?
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Wo liegen die Grenzen für den Dienst in der Gesellschaft?
Von der Arbeitsgruppe wurde den Delegierten außerdem eine Ausarbeitung zu dieser genannten Problematik übergeben, in der die Stellung und Verantwortung der Mitglieder der »Siebenten-Tags-Adventisten« in der sozialistischen Gesellschaft dargelegt werden. Es heißt hier u. a.: »… Wir leben in einer sozialistischen Gesellschaft und haben in ihr zu denken und zu handeln … Wir sind uns bewusst, dass die Bereitschaft zur Mitarbeit in der Gesellschaft keine weltanschaulichen Zugeständnisse beinhalten kann. Unser Dienst und Zeugnis muss getragen werden vom Glaubensgehorsam gegenüber Gott und seinem Wort.«
In der Diskussion wurden u. a. auch solche Probleme wie Wehrpflicht oder Wehrersatzdienst,16 Beitritt zur FDJ bzw. zu den JP behandelt.
Hierzu wurde vom Leiter der Religionsgemeinschaft Böttcher folgender Standpunkt der Leitung der »Siebenten-Tags-Adventisten« dargelegt: Solange die Möglichkeit bestehe, den Wehrdienst mit der Waffe zu umgehen und als Bausoldat den Grundwehrdienst abzuleisten, sollte davon Gebrauch gemacht werden.
Zum Beitritt in die FDJ bzw. zu den JP sagte Böttcher, dass diese Frage jeder nach seinem eigenen Gewissen entscheiden müsse.
In der Arbeitsgruppe 7 »Gemeinde im Dienst an den Kindern« wurde über die Betreuung der schulpflichtigen Kinder an den Sonnabenden (Feiertag der Adventisten) diskutiert.
Böttcher erklärte, dass nach Einführung des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems die Kinder der Mitglieder und Anhänger der »Siebenten-Tags-Adventisten« nicht mehr generell am Sonnabend schulfrei haben, wie es bis dahin der Fall gewesen sei.17
Er vertrat die Meinung, man solle die Kinder schon frühzeitig so erziehen, dass sie sich »allein durchsetzen« könnten.
Von den Predigern müsste eine »Vorbildhaltung« gefordert werden, d. h., dass sie ihre Kinder grundsätzlich sonnabends nicht zur Schule schicken.
Zu dieser Frage wurde jedoch keine einheitliche Auffassung erreicht, weil der größte Teil der Prediger und Mitglieder diese Forderung ablehnte.
Alle ausländischen Gäste sprachen zur Diskussion, behandelten aber nur religiöse Probleme.
Bei internen Gesprächen vertraten verschiedene Teilnehmer die Meinung, dass erstmalig vonseiten der Leitung der Religionsgemeinschaft keine versteckten Angriffe gegen staatliche Organe und Maßnahmen vorgebracht wurden.
Diese Information ist nicht zur öffentlichen Auswertung bestimmt.18