Kontakte der Arbeitsgemeinschaft Literatur zu DDR-Literaten
14. September 1973
Information Nr. 937/73 über den Versuch der Kontaktaufnahme durch die »Arbeitsgemeinschaft Literatur, Butzbach« (BRD) zu Literaturschaffenden der DDR
Dem MfS wurde intern bekannt, dass die »Arbeitsgemeinschaft Literatur«, 6308 Butzbach/BRD, Weidigschule (Gymnasium), seit Monaten stärker bemüht ist, zu Literaturschaffenden der DDR Kontakte herzustellen.
Die »Arbeitsgemeinschaft Literatur« setzt sich aus Oberschülern der Weidigschule in Butzbach/BRD zusammen. Sie wird von Oberstudienrat Hans-Joachim Müller1 geleitet.
Die Arbeitsgemeinschaft tritt bereits seit 1971 an einen größeren Kreis von Literaturschaffenden der DDR mit dem Anliegen heran, sich schriftlich zu ihrer Stellung in der Gesellschaft, zu ihrem »Verhältnis zur herrschenden Klasse« und zu ihren Lebensbedingungen zu äußern.
Dieses Anliegen wird zumeist schriftlich an Literaturschaffende der DDR herangetragen und damit begründet, dass sich die »Arbeitsgemeinschaft Literatur« über die Rolle des Schriftstellers in der Gesellschaft ein umfassendes Bild erarbeiten wolle.
Vorgetragen wird das Anliegen als private Initiative im Interesse der »deutschen Literatur«.2
In letzter Zeit wird das Anliegen mehrfach auch damit begründet, dass die »Arbeitsgemeinschaft Literatur« in Zusammenarbeit mit dem »Ehrenwirth-Verlag«3 München eine Publikation herausbringen wolle, in der Antwortbriefe namhafter Literaturschaffender aus vielen Ländern veröffentlicht werden sollen.
(Der »Ehrenwirth-Verlag« ist im Rahmen der politisch-ideologischen Diversion bisher nicht in Erscheinung getreten. Er gibt vorwiegend Schulliteratur für Lehrer, Erzieher und Schüler heraus.)
Die »Arbeitsgemeinschaft Literatur« und der »Ehrenwirth-Verlag« teilten einer Reihe von Literaturschaffenden der DDR mit, die Publikation unter dem Titel: »Butzbacher Autorenbefragung – Briefe zur Deutschstunde« solle noch im Herbst 1973 zum Preis von 19,80 DM herausgebracht werden und ca. 300 Seiten umfassen.4 Sie solle Beiträge von deutschsprachigen Autoren besonders aus der BRD, der DDR, aus Österreich und der Schweiz enthalten. Gleichzeitig werden den Autoren Angebote zur Honorierung ihrer Beiträge unterbreitet.
Dem MfS wurde intern bekannt, dass u. a. die Literaturschaffenden der DDR
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Anna Seghers5
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Erwin Strittmatter6
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Hermann Kant7
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Paul Wiens8
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Günter Kunert9
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Heinz Kahlau10
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E. R. Greulich11
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Stefan Heym12
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Jurek Becker13
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Irmtraud Morgner14
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Günter de Bruyn15
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Dr. Peter Hacks16
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Jens Gerlach17
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Prof. Liselotte Welskopf-Henrich18
schriftliche Aufforderungen erhielten, ihre Stellungnahmen zuzusenden.
Weiterhin wurde dem MfS intern in diesem Zusammenhang bekannt, dass mehrere Schriftsteller aus der DDR dieser Aufforderung nachkamen bzw. nachzukommen beabsichtigen.
Der Inhalt einiger dem MfS bekannt gewordener Stellungnahmen lässt nicht in jedem Falle eine eindeutige Klassenposition erkennen.
Im Zusammenhang mit der für Herbst 1973 angeblich vorgesehenen Publikation dieser Stellungnahmen durch den »Ehrenwirth-Verlag« ist zu beachten, dass sie zeitlich mit der Vorbereitung und Durchführung des Schriftstellerkongresses in der DDR19 zusammenfällt.