Planungen zum DDR-Besuch des ÖRK-Generalsekretärs Potter
30. Mai 1973
Information Nr. 495/73 über den vorgesehenen Besuch des Generalsekretärs des ökumenischen Rates der Kirchen, Philip Potter, in der DDR
Auf Einladung des Vorstandes des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR1 wird der Generalsekretär des ökumenischen Rates der Kirchen,2 Philip Potter,3 in der Zeit vom 31.5. bis 3.6.1973 die DDR besuchen. Im Programm sind u. a. vorgesehen:
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offizielle Gespräche mit Vertretern des Staatsapparates der DDR; (am 31.5.1973 findet ein Gespräch beim Ersten Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Genossen Horst Sindermann,4 statt; auf Einladung des Oberbürgermeisters, Genosse Fechner,5 Besuch des Fernsehturmes; Zusammentreffen mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens)
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Besuche von VEB und LPG in Bezirken der DDR;
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Begegnungen und Gespräche mit kirchlichen Vertretern;
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Gottesdienste in der Marienkirche. (Dort soll Potter predigen.)
Dem MfS wurde intern bekannt, dass sich Potter bei seinen Gesprächen mit Vertretern des Staatsapparates der DDR besonders über folgende Probleme informieren wolle:
So wolle er die Haltung der Regierung der DDR zur beabsichtigten Sitzung des Zentralausschusses des ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) im August 1974 in Westberlin kennenlernen.6
Als Tagungsort für diese Sitzung sei aus gegenwärtiger Sicht die Kongresshalle vorgesehen, die dem ÖRK von der Westberliner Kirchenleitung kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll. (Eine endgültige Festlegung zum Tagungsort sei bisher nicht erfolgt.) An der Tagung sollen ca. 350 Personen teilnehmen.
Im internen Kreis habe Potter geäußert, ihm und den Mitarbeitern des ÖRK sei klar, dass diese beabsichtigte Veranstaltung in Westberlin von der Regierung der DDR als ein »unerwünschtes Politikum« gewertet werden könne. Die Durchführung dieser Tagung in Westberlin bedeute eine politische Aufwertung Westberlins. In diesem Zusammenhang müsse geprüft werden, ob die DDR auch weiterhin den Standpunkt vertrete, Westberlin als eine politisch selbstständige Einheit zu betrachten. Auf jeden Fall werde man die Tagungsteilnehmer nicht von der »Evangelischen Kirche in Deutschland«, sondern von der Westberliner Landeskirche einladen lassen. Gleichzeitig müsse aber auf der Grundlage offizieller Gespräche mit den zuständigen Organen der DDR das Problem der Einreise von Tagungsteilnehmern in das Gebiet der DDR und die Hauptstadt Berlin geklärt werden.
Weiter wurde dem MfS dazu intern bekannt, dass vonseiten des Ökumenischen Rates der Kirchen geplant sei, eine Reihe von Tagungsteilnehmern zu veranlassen, einzelne Landeskirchen der DDR zu besuchen und dort Gespräche zu führen bzw. Predigten zu halten.
Die endgültige Festlegung des Tagungsortes solle auf der Sitzung des Zentralausschusses des ÖRK im August 1973 in Genf erfolgen.7
Potter solle, wenn sich aus der Durchführung der Tagung in Westberlin Konsequenzen für das Verhältnis zwischen der DDR und dem ÖRK ergeben, in den Gesprächen mit Vertretern des Staatsapparates der DDR erklären, dass diese Tagung auch an einem anderen Ort in der BRD stattfinden könne. Darüber hinaus solle er anbieten, diese Tagung eventuell in der DDR durchzuführen. In einem solchen Falle würden jedoch von der Regierung der DDR Garantien für die ungehinderte Einreise der Tagungsteilnehmer erwartet.
In Personalfragen werde man vonseiten des ÖRK keine Kompromisse eingehen. Wenn z. B. die Einreise des Freiherrn von Weizsäcker/BRD8 aus politischen Gründen von den zuständigen Behörden der DDR nicht gestattet werde, müsse auf eine Durchführung der Veranstaltung in der DDR verzichtet werden.
Eine weitere Frage, die Potter bei seinen Gesprächen klären möchte, ist die Tagung des Exekutivausschusses des ÖRK. (Der ÖRK hat die Absicht, diese Tagung im Februar 1974 in Bad Saarow oder in Buckow in der DDR durchzuführen. Frühere Tagungen haben u. a. in der Sowjetunion, der VR Bulgarien und der SR Rumänien stattgefunden.) An dieser Tagung soll der oben genannte von Weizsäcker ebenfalls teilnehmen. Teilnehmer der Exekutivtagung sind ca. 50 Personen.9
Zur Person des Potter wurde dem MfS u. a. bekannt, dass er verhältnismäßig realistisch die politische Entwicklung in Europa beurteilt. Er wird als »Vertreter der Dritten Welt« bezeichnet, der sich vor allen Dingen gegen die Ausbeutung und Unterdrückung wendet. Seiner Meinung nach werde sich die Welt zum Sozialismus hin entwickeln. Allerdings müsse bei diesem Sozialismus die Kirche eine positive Rolle bei der Gestaltung der Gesellschaft spielen. Er ist ein Vertreter der »Schwarzen Theologie«10 und unterstützt die »Black-Power-Bewegung«11 in den USA.
Potter wird von den reaktionären Kräften der Kirchen wegen dieses Standpunktes stark angegriffen.
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