Reaktion der ev. Kirche auf Maßnahmen im Gesundheitswesen
21. Dezember 1973
Information Nr. 1285/73 über die Reaktion der evangelischen Kirche in der DDR auf die sozialpolitischen Maßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens der DDR
Wie dem MfS zuverlässig bekannt wurde, sind die evangelischen Bischöfe der DDR in einem vertraulichen Schreiben des Direktors des evangelischen Hilfswerkes, Dr. Bosinski,1 über den Inhalt eines Gesprächs informiert worden, das zwischen dem Justitiar der Inneren Mission und evangelischen Hilfswerkes Hamann2 und Beauftragten des Präsidenten der Volkskammer der DDR im Zusammenhang mit den sozialpolitischen Maßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens stattfand.
Wie aus diesem vertraulichen Schreiben hervorgeht, wurden im Verlaufe des Gesprächs durch Hamann zu folgenden Problemen Fragen gestellt, die seitens der Beauftragten des Präsidenten der Volkskammer wie folgt beantwortet worden seien:
Im Zusammenhang mit der Bereitstellung weiterer Facharztstellen und der Einbeziehung in die Absolventenlenkung, so wurde Hamann erläutert, werden die evangelischen Krankenhäuser nach den gleichen Kriterien wie bisher mit einbezogen, wobei sich im Zusammenhang mit der Erweiterung der fachärztlichen Ausbildung insgesamt auch die Zahl der zugewiesenen Facharztbewerber im konfessionellen Bereich erhöhen wird.3
Es werden auch keine Einwände dagegen erhoben, dass religiös gebundene Bewerber sich um einen Einsatz und die Ausbildung in evangelischen Krankenhäusern bemühen, da der Status des sozialistischen Staatsbürgers christlichen Glaubens eine solche Behandlung einschließe.4
Auf die Frage nach der Perspektive der Ambulanzen wurde dargelegt, dass sie erhalten bleiben und Erweiterungen bei der poststationären Betreuung denkbar seien. Ebenso könnte es sein, dass Ärzte der evangelischen Krankenhäuser in staatlichen Ambulanzen tätig werden.5
Zum Perspektivprogramm für Investitionen wurde darauf hingewiesen, dass Anträge auf Aufnahme in die Baubilanzen über die jeweiligen Kreisärzte an die örtlichen Organe der Staatsmacht zu richten sind.6
Der Kreisarzt sei mit dafür verantwortlich, berechtigte Anträge der entsprechenden evangelischen Einrichtungen, die einer effektiven Nutzung dienen, bei der Aufstellung der Baubilanzen mit zu berücksichtigen.
Die Bereitstellung von Baukennziffern führt dabei keinesfalls zur Schmälerung des Sonderbauprogramms (der Kirche), da dieses nicht in den örtlichen Baubilanzen enthalten sei.
Für die Umgestaltung der pflegerischen Facharbeiterausbildung zur Fachschulausbildung sei auf die entsprechende Fragestellung Hamanns erklärt worden, dass Träger der Fachschulausbildung nur eine staatliche Einrichtung sein kann. Endgültige Entscheidungen würden dazu noch nicht vorliegen. Es werde erwartet, dass die evangelischen Kirchen der DDR geeignete Vorschläge unterbreiten.7
Die jährlich wiederkehrende Sondervergütung am Tag des Gesundheitswesens8 und ihre Anwendung auf die Mitarbeiter in evangelischen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens konnte nicht endgültig beantwortet werden.
Im Prinzip würden die Mitarbeiter der evangelischen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, die mit diesen in einem Arbeitsrechtsverhältnis stehen, die jährliche zusätzliche Vergütung erhalten.
Diakonissen und Diakonissenschwestern können jedoch die zusätzliche Vergütung nicht erhalten, da diese eine seelsorgerische Tätigkeit ausüben und gemäß »Anordnung über die arbeitsrechtliche Stellung der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeiter und Angestellten vom 18.1.1958«9 in einem kirchlichen Beschäftigungsverhältnis stehen.
Die Ehrung der Mitarbeiter in den evangelischen Einrichtungen durch Verleihung von Medaillen am Tag des Gesundheitswesens erfolge in gleicher Weise für diejenigen, die zehn und mehr Jahre ununterbrochen im Dienst stehen, unabhängig von ihrem Anstellungsverhältnis. Die Anträge für die Verleihung von Medaillen können daher auch für Vorsteher, Diakonissen und Diakonissenschwestern eingereicht werden. Als problematisch seien, so wäre von den Beauftragten des Präsidenten der Volkskammer ausgeführt worden, die gegenwärtig gültigen Beschlüsse der Konferenz der Diakonissen-Mutterhäuser Kaiserswerther Prägung10 in der DDR anzusehen, die die Annahme kirchlicher bzw. staatlicher Auszeichnungen durch Diakonissen bzw. Diakonissenschwestern ablehnen. Dem Justitiar Hamann sei angedeutet worden, dass eine Annahme der Sondervergütung und die Ablehnung der Medaille keine konsequente Haltung darstelle und eine solche Haltung unter Umständen günstige Maßnahmen torpedieren würde.
(In diesem Zusammenhang wurde in dem vertraulichen Brief an die evangelischen Bischöfe auf einen Beschluss der Konferenz der Diakonissen-Mutterhäuser Kaiserswerther Prägung in der DDR vom 14.11.1973 aufmerksam gemacht, welcher bedenkenswert wäre und in dem es u. a. heißt:
»Aus gegebenem Anlass haben die Schwesternräte der 24 Diakonissen-Schwesternschaften Kaiserswerther Prägung in der DDR ihre Stellung zur Annahme von Auszeichnungen geprüft. Aufgrund der dabei getroffenen Entscheidungen stellt die Konferenz der Diakonissen-Mutterhäuser Kaiserswerther Prägung in der DDR auf ihrer turnusmäßigen Tagung am 14.11.1973 einmütig Folgendes fest:
Wir begrüßen die Stiftung einer Medaille als eine würdige Form der staatlichen Anerkennung für treue Dienste im Gesundheits- und Sozialwesen.
Wir – Diakonissen, Oberinnen und Vorsteher der Mutterhäuser – nehmen jedoch weder kirchliche noch staatliche Auszeichnungen an, da eine solche Ehrung mit unserer Auffassung des Dienstes am Menschen in der Nachfolge Jesu Christi nicht vereinbar ist. Wir bitten alle kirchlichen und staatlichen Instanzen, diese unsere Entscheidung zu respektieren …«)11
Für die Mitarbeiter der evangelischen Einrichtungen sei eine Erhöhung der von den Arbeitsjahren abhängigen Steigerungsbeträge von 1 % auf 1,5 % bei der Sozialversicherungsrente nicht vorgesehen.12 Da die entsprechenden gesetzlichen Regelungen zurzeit noch nicht erlassen sind, sei von Justitiar Hamann auf schwerwiegende Folgen eines Ausschlusses der Mitarbeiter evangelischer Einrichtungen aus der allgemeinen Rentenverbesserung hingewiesen worden.13
Zur Frage der zusätzlichen Altersversorgung der Ärzte in evangelischen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens sei dargelegt worden, dass die Beträge auf 700 Mark monatlich angehoben werden. Eine Gleichstellung der zusätzlichen Altersversorgung der Ärzte im konfessionellen Bereich mit der zusätzlichen Altersversorgung der Ärzte im staatlichen Bereich sei nicht vorgesehen.
Im Rahmen der weiteren Entwicklung und Profilierung der Krankenhäuser sei nicht beabsichtigt, neue konfessionelle Krankenhäuser einzurichten.
Erweiterungsmaßnahmen seien nur bei Einrichtungen für psychisch kranke Kinder und Jugendliche bzw. in geriatrischen Einrichtungen denkbar. Das bedeute nicht, dass die bestehenden evangelischen Einrichtungen entsprechend umprofiliert werden sollen.
Sollten dennoch Maßnahmen zur Umprofilierung evangelischer Krankenhäuser notwendig werden, können diese Maßnahmen keineswegs administrativ angeordnet werden. Sie müssten dann auf dem Weg von Vereinbarungen mit den örtlichen Organen der Staatsmacht geklärt werden. Das Ministerium für Gesundheitswesen sei in diesen Fällen bereit, sich vermittelnd einzuschalten.
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