Reaktionen zu kirchenpolitischen Fragen
17. September 1973
Information Nr. 950/73 über einige Reaktionen leitender Persönlichkeiten der katholischen Kirche der DDR zu aktuellen kirchenpolitischen Fragen
Dem MfS wurden intern Hinweise über einige Äußerungen und Reaktionen leitender Persönlichkeiten aus dem Bischöflichen Ordinariat der katholischen Kirche in der Hauptstadt der DDR zu aktuellen kirchenpolitischen Fragen bekannt, die sich im Wesentlichen wie folgt darstellen:
Der Exarch der Russisch-orthodoxen Kirche in Berlin, Erzbischof Filaret,1 stattete Kardinal Bengsch2 am 3.9.1973 in dessen Amtssitz im Bischöflichen Ordinariat einen Besuch ab. Während des ca. 40-minütigen Gesprächs brachte Filaret zum Ausdruck, dass Würdenträger der evangelischen Kirche der DDR schon des Öfteren zu Gast bei der Russisch-orthodoxen Kirche in Moskau gewesen seien. Kardinal Bengsch gab zu verstehen, dass er eine offizielle Einladung, ausgesprochen vom Patriarchen der Russisch-orthodoxen Kirche in Moskau, Pimen,3 nicht ausschlagen würde.
Bengsch und Filaret vereinbarten, sich in Zukunft des Öfteren zu treffen. Bengsch wolle demnächst Erzbischof Filaret in dessen Amtssitz in Berlin-Karlshorst einen Besuch abstatten.
Weiter wurde intern bekannt, dass Kardinal Bengsch die Teilnahme offizieller Vertreter der katholischen Kirche der DDR am Weltkongress der Friedenskräfte in Moskau4 abgelehnt hat und diese Ablehnung seinen Mitarbeitern gegenüber wie folgt begründete:
Von staatlicher Seite sei man an ihn herangetreten mit der Bitte, Vertreter der katholischen Kirche der DDR offiziell zur Teilnahme am Weltfriedenskongress in Moskau einladen zu dürfen.
Diese Vertreter könnten einen Beobachterstatus einnehmen. Er habe erklärt, dass er eine Teilnahme von Vertretern der katholischen Kirche der DDR für möglich halte, er müsse jedoch erst Rückfrage in Rom halten.
Er habe angenommen, dass die Verhandlungen über die Teilnahme einer offiziellen katholischen Delegation aus der DDR ausschließlich mit ihm geführt werden. Inzwischen habe er aber erfahren, dass Vertreter des Staatsapparates bzw. gesellschaftlicher Organisationen »hinter seinem Rücken« bei katholischen Geistlichen um deren Teilnahme am Kongress geworben hätten. Aus diesem Grund lehne er die Entsendung einer offiziellen Delegation der katholischen Kirche der DDR ab.
(Wie dazu intern in Erfahrung gebracht wurde, hat Bischof Aufderbeck,5 Erfurt, Kardinal Bengsch davon unterrichtet, dass er durch den Stellvertreter Inneres beim Rat des Bezirkes Erfurt, Hermann,6 zu einer Teilnahme am Moskauer Kongress eingeladen worden sei. Aufderbeck habe die Einladung abgelehnt mit der Begründung, dass die Entsendung von Vertretern der katholischen Kirche der DDR nur durch die Ordinarienkonferenz7 in Berlin beschlossen werden könne. Bischof Aufderbeck habe weiter zum Ausdruck gebracht, dass noch weitere katholische Geistliche in dieser Hinsicht vom Staatsapparat angesprochen worden seien.)
Gegenwärtig werden von der katholischen Kirche der DDR Vorbereitungen zur Hauptfeier anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Hedwigs-Kathedrale in Berlin, die am 1.11.1973 in der Hedwigs-Kathedrale stattfinden soll, getroffen.
Es wurde festgelegt, dass an der Feier alle katholischen Bischöfe, die Vertreter der vorhandenen Domkapitel, der kirchlichen Einrichtungen, des Priesterseminars und andere Würdenträger teilnehmen sollen.
Aus dem Ausland werden folgende Personen erwartet:
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Kardinal Rossi,8 Leiter der Propagandafide des Vatikans mit einem Begleiter;
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der General des Dominikanerordens in Rom bzw. sein Vertreter mit einem Begleiter;
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Kardinal Döpfner,9 Erzbischof von München mit einem Begleiter;
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der Bischof von Köln mit einem Begleiter;
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der Bischof von Brescia/Italien mit einem Begleiter;
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Kardinal Kominek,10 Erzbischof von Wroclaw, mit einem Begleiter;
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der Bischof von Olsztin/VR Polen11 mit einem Begleiter.
Vom Ordinariat ist weiterhin vorgesehen, zwei Amtsträger der evangelischen Kirche einzuladen. Von staatlicher Seite sollen der Staatssekretär für Kirchenfragen und einer seiner Mitarbeiter sowie der Oberbürgermeister der Hauptstadt der DDR und einer seiner Mitarbeiter eingeladen werden.
Diese Information darf wegen ihres vertraulichen Charakters und Quellengefährdung nicht öffentlich ausgewertet werden.