Direkt zum Seiteninhalt springen

Schusswaffenanwendung bei versuchtem Grenzübertritt

20. August 1973
Information Nr. 829/73 über die Verhinderung eines ungesetzlichen Grenzübertritts DDR – Westberlin nach Schusswaffenanwendung durch die Grenzsicherungskräfte der NVA

Am 18.8.1973, gegen 3.30 Uhr, erfolgte im Grenzabschnitt Stammbahn – Steinhaufen, Grenzregiment Kleinmachnow, Bezirk Potsdam, nach Anwendung der Schusswaffe (46 Schuss) durch die Grenzsicherungskräfte die Festnahme der DDR-Bürger [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1953, wohnhaft Nauen, [Straße, Nr.], ohne erlernten Beruf, zuletzt tätig als Gabelstaplerfahrer1 bei der Deutschen Reichshahn, Bahnhof Nauen; [Name 2, Vorname] (Cousin des [Name 1]), geboren [Tag, Monat] 1953, wohnhaft Nauen, [Straße, Nr.], ohne erlernten Beruf, zuletzt tätig als Hilfsarbeiter im VEB Fettgewinnung Genthin, Werk Nauen,2 (vorbestraft wegen Versuch des ungesetzlichen Grenzübertritts am 24.10.1972 im Zuge der Amnestie aus der Untersuchungshaft entlassen3) wegen des Versuchs des ungesetzlichen Grenzübertritts nach Westberlin.4

Durch die Schusswaffenanwendung wurde [Name 2] durch einen Schuss in den rechten Oberschenkel (Steckschuss) verletzt und nach erster Wundversorgung unverzüglich in das Armeelazarett Potsdam-Babelsberg eingeliefert.

[Name 1] blieb unverletzt.

Die bisherigen Untersuchungen des MfS zum Tathergang ergaben:

Die Grenzverletzer [Name 1] und [Name 2] waren am 17.8.1973, gegen 17.00 Uhr, von Nauen aus mit dem Zug nach Potsdam/Hauptbahnhof und von dort mit der Straßenbahn nach Babelsberg gefahren. Zu Fuß bewegten sie sich weiter bis zur Autobahn und von hier aus in das unmittelbare Grenzgebiet, wo sie seit 17.8.1973, 20.00 Uhr, das Grenzsicherungssystem beobachtet und aufgeklärt hatten.

Am 18.8.1973, gegen 3.00 Uhr, überstiegen die Grenzverletzer den Hinterlandsicherungszaun, unterkrochen den Signalzaun, der dadurch nicht ausgelöst wurde, und bewegten sich in der weiteren Folge in Richtung des Grenzsicherungszaunes, wo sie von den in ca. 250 Meter bzw. 800 Meter vom Tatort entfernten Grenzsicherungskräften der NVA erkannt und – da aufgrund der Entfernung keine andere Möglichkeit zur Ergreifung der Täter bestand – nach der Schusswaffenanwendung ohne weitere Vorkommnisse festgenommen werden konnten.

Durch die Schusswaffenanwendung wurde das Territorium Westberlins nicht verletzt.

Während und nach der Schusswaffenanwendung und der Festnahme wurden auf Westberliner Gebiet keine Handlungen gegnerischer Kräfte festgestellt.

Die Untersuchungen zur Person der Grenzverletzer und dem Motiv ergaben, dass [Name 1] und [Name 2] bereits 1969 (als 16-Jährige) die DDR ungesetzlich nach Westberlin verlassen hatten. Diesen Grenzdurchbruch unternahmen sie im gleichen Grenzabschnitt, wo jetzt ihre Festnahme erfolgte.

Im September 1969 wurden [Name 1] und [Name 2] aufgrund ihres jugendlichen Alters durch die zuständigen Organe des Westberliner Senats an die DDR übergeben.

Wie bekannt wurde, gingen [Name 1] und [Name 2] während ihres Aufenthalts in Westberlin keiner geregelten Arbeit nach und schlossen sich mit anderen Jugendlichen in Westberlin zu einer Gruppe zusammen, die kriminelle Handlungen (Automatendiebstähle u. a.) beging.

Nach einem kurzzeitigen Aufenthalt im Aufnahmeheim Alt-Stralau waren [Name 1] und [Name 2] ihren Eltern übergeben worden.

Zum Motiv des versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts wurde bekannt, dass sich [Name 1] am 17.8.1973 dazu entschlossen habe, weil – wie er aussagt – seine Freundin sich von ihm getrennt hatte.

[Name 1] teilte diesen Entschluss noch am 17.8.1973 [Name 2] mit, der bereits seit mehreren Monaten einen ungesetzlichen Grenzübertritt nach Westberlin plante.

Sie kamen überein, ihr Vorhaben umgehend zu realisieren.

Gegen [Name 1] und [Name 2] wurden gemäß § 213 StGB (Ungesetzlicher Grenzübertritt) Ermittlungsverfahren eingeleitet und auf der gleichen Rechtsgrundlage Haftbefehle erlassen.

Die Untersuchungen des MfS werden fortgesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Festnahme eines BRD-Bürgers wegen versuchter Ausschleusung

    20. August 1973
    Information Nr. 832/73 über die Festnahme eines BRD-Bürgers wegen des Versuchs der Ausschleusung einer DDR-Bürgerin nach der BRD

  2. Zum vorherigen Dokument Ergänzung zur Festnahme eines Schrankenwärters

    20. August 1973
    Information Nr. 828/73 über die widerrechtliche Festnahme eines Schrankenwärters des Bahnhofs Berlin-Marienfelde durch zwei Angehörige der Westberliner Schutzpolizei