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Schusswaffengebrauch durch NVA-Grenzer bei Kontrolle

17. September 1973
Information Nr. 956/73 über einen Schusswaffengebrauch durch Angehörige der NVA-Grenze bei einer Kontrollhandlung in unmittelbarer Nähe der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße am 15. September 1973

Am 15.9.1973, gegen 23.30 Uhr, beobachteten zwei Angehörige des Grenzausbildungsregimentes 39, die im Abschnitt des Grenzregimentes 33 zur Hinterlandsicherung eingesetzt worden waren, dass sich auf einem öffentlichen Weg zwischen der Kleingartenanlage »Bornholm« und dem Hinterlandzaun, ca. 250 Meter von der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin entfernt, eine unbekannte männliche Person aus Richtung Esplanade in Richtung Bornholmer Straße bewegte.

Das Postenpaar kontrollierte diese Person, bei der es sich um den [Name, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1946, wohnhaft Treptow, [Straße, Nr.], Beruf Kfz-Schlosser, zuletzt tätig Arbeitsgemeinschaft des Orthopädischen Schuhmacherhandwerks als Fahrdienstleister, verheiratet, ein Kind, handelte und der, wie das Postenpaar feststellte, unter Alkoholeinfluss stand.

Als Grund für die Anwesenheit im grenznahen Gebiet gab [Name] an, zwei Mädchen suchen zu wollen.

Er wurde aufgefordert, sich aus dem grenznahen Gebiet zu entfernen.

Ohne erkennbare Absichten zum Eindringen ins Grenzgebiet, setzte [Name] seinen Weg in Richtung Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße fort.

Beim Entfernen beschimpfte [Name] mit den Worten »Ihr deutschen Schweine« die NVA-Angehörigen derart laut, dass ein zweites Postenpaar, welches zur Flankensicherung der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße eingesetzt war (ca. 200 m Entfernung vom ersten Postenpaar), die Äußerungen wahrnehmen konnte.

Sie erkannten gleichfalls, wie auf dem parallel zum Hinterlandzaun verlaufenden Weg sich ihnen der [Name] näherte.

In Unkenntnis der bereits einmal erfolgten Personalausweiskontrolle forderten sie [Name] nochmals zu einer Personalausweiskontrolle auf.

[Name] versuchte zunächst, sich dieser Kontrolle zu entziehen, indem er mehrere russische Worte sprach.

Nach nochmaliger Aufforderung übergab er seinen Personalausweis an das Postenpaar.

Im Verlauf der Kontrollhandlung (Durchsuchung des [Name]) ging [Name] mit vorgehaltenen Händen auf die kontrollierenden Posten zu. Der sichernde Postenführer schätzte nach eigenen Angaben diese Handlung [Name] als einen tätlichen Angriff auf den kontrollierenden Posten ein, und gab deshalb einen Warnschuss ab. Daraufhin wandte sich [Name] vom Posten ab und ging auf den Postenführer zu.

Als sich [Name] ca. 1,5 m vor dem Postenführer befand, gab der Postenführer drei Schuss ab, die vor dem Genannten in das Erdreich einschlugen.

Trotz dieser Warnschüsse blieb der [Name] nicht stehen, sondern ging weiter auf den Postenführer zu.

Um die Festnahme zu sichern und einen tätlichen Angriff zu verhindern, richtete der Postenführer die Waffe auf die Beine des [Name] und gab zwei gezielte Schüsse ab.

Durch die Schüsse wurde [Name] am linken Oberschenkel (Durchschuss ohne Knochenverletzung) und am Knöchel des linken Fußes (Streifschuss) verletzt.

Der [Name] wurde nach unmittelbarer Erster Hilfeleistung in das VP-Krankenhaus überführt. Es besteht keine Lebensgefahr.

Der [Name] gibt in der ersten Vernehmung an, mehrmals in der Kleingartenanlage »Bornholm« Reparaturarbeiten, gemeinsam mit einem Arbeitskollegen, durchgeführt zu haben.

Aus diesem Grund waren beide zu einem Erntefest am 15.9.1973 eingeladen worden.

An diesem Abend haben sie ab 18.45 Uhr in der Kantine der Kleingartenanlage mitgefeiert und dabei erhebliche Mengen Alkohol zu sich genommen.

Er verließ allein die Kantine, um die Toilette aufzusuchen. Seit diesem Zeitpunkt fehle ihm jedes Erinnerungsvermögen.

Gegen [Name] wurde durch das MfS ein Ermittlungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die konkreten Ursachen, Motive und begünstigenden Bedingungen für die Handlungsweise des [Name] herauszuarbeiten, insbesondere, ob die Absicht eines Grenzdurchbruchs nach Berlin (West) vorlag.

Während des Vorkommnisses wurden keine Reaktionen auf Westberliner Seite festgestellt.

  1. Zum nächsten Dokument Verhinderung eines ungesetzlichen Grenzübertrittes zu Fuß

    17. September 1973
    Information Nr. 957/73 über die Verhinderung eines ungesetzlichen Grenzübertrittes nach Westberlin in Berlin-Mitte, Jerusalemer Straße, am 16. September 1973

  2. Zum vorherigen Dokument Reaktionen zu kirchenpolitischen Fragen

    17. September 1973
    Information Nr. 950/73 über einige Reaktionen leitender Persönlichkeiten der katholischen Kirche der DDR zu aktuellen kirchenpolitischen Fragen