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Schweriner Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen

26. Mai 1973
Information Nr. 478/73 über die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR vom 25. bis 29. Mai 1973 in Schwerin

Am 25. Mai 1973, in der Zeit von 13.00 bis 15.00 Uhr, trat das Präsidium der Synode des Bundes – Bischof Braecklein,1 Eisenach, Synodalpräsident Wahrmann,2 Wismar, Synodalpräses Cieslak,3 Seifhennersdorf, Frau Radke,4 Schwerin – unter Leitung von Bischof Braecklein zusammen, um über den Verlauf der von 15.00 bis 17.00 Uhr vorgesehenen internen Informationstagung zu beraten.

Auf dieser Beratung wurde Folgendes festgelegt:

Der Vorsitzende der Konferenz der Kirchenleitungen des Bundes,5 Bischof Schönherr,6 Berlin, wird bekannt geben, dass bei den Verhandlungen mit dem Staatsapparat über die Handhabung der Veranstaltungsverordnung7 erreicht wurde, dass die alten Verhältnisse wieder eintreten. Es komme darauf an, dass die Synode dies positiv zur Kenntnis nimmt.

Eine von den Theologischen Sektionen der sechs Universitäten der DDR vorliegende Eingabe (von Bischof Braecklein verlesen), die – unter Federführung von Prof. Bernhardt,8 Berlin, verfasst – eine prinzipielle theologische und politische Stellungnahme zum sogenannten Profilpapier9 und zum Falcke10-Referat auf der Synode des Bundes 1972 in Dresden11 darstellt, soll dem Eingabenausschuss zur Prüfung zugeleitet und dann der Synode offiziell zur Kenntnis gegeben werden.12

Zu dem Vortrag von Bischof Fränkel13 auf der Görlitzer Frühjahrssynode soll es keine Diskussionen geben.14 Bischof Schönherr wird empfohlen, hierzu auf der am Nachmittag stattfindenden Sitzung etwas zu sagen.

Die Mitglieder des Präsidiums werden anwesenden westlichen Journalisten keine Interviews geben.

Nach dieser Beratung des Präsidiums der Synode fand von 15.00 bis 17.00 Uhr eine »Informations- und Fragestunde« unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Neben den Synodalen nahmen daran die Mitarbeiter des Sekretariats des Bundes sowie Oberkirchenrat Heidler,15 Berlin, als Vertreter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche der DDR (VELK/DDR)16 und Präsident Dr. Pietz,17 Berlin, als Vertreter der Evangelischen Kirche der Union (EKU) teil.18

Nach der Eröffnung dieser Sitzung durch den Präses der Synode, Bischof Braecklein, machte der Vorsitzende der Konferenz der Kirchenleitungen, Bischof Schönherr, folgende Ausführungen:

1. Zur Veranstaltungsverordnung

Bischof Schönherr teilte mit, dass er wegen der Handhabung der Veranstaltungsverordnung ein Gespräch mit dem Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, Genosse Barth,19 geführt habe.

Über den Verlauf des Gesprächs sei vom Sekretariat des Bundes ein Schreiben angefertigt worden, das den Synodalen am 26.5.[1973] ausgehändigt werden soll.20

Schönherr teilte weiter mit, dass die in der Antwort der Konferenz der Kirchenleitungen an den Staatssekretär für Kirchenfragen21 enthaltene Stellungnahme vom Staat akzeptiert worden sei.22 Die Kirche sei dafür dankbar. Es komme jetzt darauf an, die darin enthaltenen Feststellungen zu präzisieren und eine neue, bessere Verhandlungsbasis zu schaffen.

2. Zum Auftreten von Bischof Fränkel

Bischof Schönherr erläuterte den Ablauf der Görlitzer Frühjahrssynode, auf der Bischof Fränkel den bewussten Vortrag gehalten habe. Er erklärte, dass die von Fränkel in diesem Vortrag sehr hart angesprochenen Fragen eine breite Publikumswirkung gefunden hätten.

Er gab dann den Inhalt des mit Fränkel beim Staatssekretär für Kirchenfragen geführten Gesprächs bekannt.23 Nach diesem Gespräch habe Fränkel in Görlitz eine Sondersynode durchführen wollen.

Die anderen Bischöfe seien jedoch gegen eine Sondersynode gewesen, weil darüber unweigerlich wieder die Westpresse berichtet hätte. Daraufhin habe Fränkel das Aide-memoire verfasst, das von Schönherr verlesen wurde.24 Schönherr stellte abschließend fest, dass die Schulprobleme leider noch nicht gegenstandslos geworden seien.

3. Zu den X. Weltfestspielen25

Schönherr sagte, man solle beachten, dass die Kirche nicht Gastgeber des Festivals sei, dass sie aber den vielen teilnehmenden jungen Christen etwas bieten werde. Unter anderem seien Treffen mit jungen Christen aus Afrika und Amerika geplant.

Es wird ein genauer Plan erarbeitet, aus dem ersichtlich ist, was die Kirche zu den Weltfestspielen vorbereitet. Dieser Plan wird den Kirchenleitungen zugestellt.

4. Probleme der Volksbildung

Schon in seinen Ausführungen zu Bischof Fränkel hatte Schönherr festgestellt, dass es weiterhin Schulprobleme gäbe. Er verlangte jedoch von den Vertretern der Landeskirchen bei Verhandlungen mit dem Staatsapparat ein einheitliches Auftreten und sachlich geführte Gespräche.

5. Sonderbauprogramm der Kirche

Zum Bau von Einrichtungen im Rahmen des Diakonischen Werkes in der DDR werden von den Kirchen in der BRD 20 Millionen Mark aufgebracht. Hierfür sollen aus der BRD Fertigteile bezogen werden.

Danach forderte Schönherr die Anwesenden auf, Fragen zu den von ihm dargelegten Komplexen zu stellen:

Oberkirchenrat von Brück,26 Radebeul, brachte dabei zum Ausdruck, dass die Probleme der Veranstaltungsverordnung noch nicht restlos geklärt seien. Es müsse auch in Zukunft eine Abstimmung zwischen den einzelnen Landeskirchen geben (z. B. bei Kirchenmusik-Veranstaltungen).

Bischof Braecklein warnte vor zu schnellen Festlegungen und Fixierungen zur Veranstaltungsverordnung, um die angebahnten Regelungen mit dem Staatsapparat nicht wieder zu gefährden.

Zu Problemen der Volksbildung stellte Braecklein fest, dass in seiner Landeskirche bisher alle Fragen geklärt wurden und dass dies sicher auch in Zukunft so sein werde. Es habe in der Landeskirche Thüringen bisher immer eine gute Zusammenarbeit mit dem Staatsapparat gegeben.

Oberkirchenrat von Brück meinte, dass es noch weiter Probleme geben werde, und ging in diesem Zusammenhang auf das neue Jugendgesetz ein, mit dem angeblich einschneidende Maßnahmen gegenüber der kirchlich gebundenen Jugend durchgeführt werden sollen.27

Pfarrer Uhle-Wettler,28 Aken, stellte die Frage, ob wegen des neuen Jugendgesetzes Sachgespräche angelaufen seien.

Bischof Schönherr antwortete darauf, er habe Kenntnis davon, dass ein neues Jugendgesetz in Vorbereitung sei. Er könne mit Sicherheit sagen, dass es keine einschneidenden Maßnahmen gegenüber kirchlich gebundenen Jugendlichen geben werde. Es sei kein Anlass für Spekulationen vorhanden.

Bischof Braecklein forderte die Anwesenden mehrfach auf, zu dem Auftreten von Bischof Fränkel auf der Görlitzer Frühjahrssynode Fragen zu stellen. Es gab jedoch keine Wortmeldungen.

Anschließend berichtete Dr. Bosinski,29 Berlin, Direktor der Inneren Mission und des Hilfswerks, über sein Gespräch mit dem Minister für Gesundheitswesen,30 bei dem es sich insbesondere um Einrichtungen des Diakonischen Werkes gehandelt hatte.

Der Pressereferent des Bundes Borgmann,31 teilte mit, dass 17 Journalisten zur Synode erwartet werden, davon drei aus der BRD bzw. Westberlin (Henkys,32 König,33 Kempner34). Borgmann forderte die Synodalen auf, sich von den Westjournalisten nicht als »Müllkasten für Informationen« ausnutzen zu lassen. Sollte sich ein Interview nicht vermeiden lassen, so solle man jedes Wort überlegen, damit es nicht wieder Schwierigkeiten gebe wie bei Bischof Fränkel. Borgmann verlas dann die Anordnung der DDR über die Tätigkeit von Journalisten aus dem kapitalistischen Ausland in der DDR.35

Der Präses der Synode, Bischof Braecklein, gab bekannt, dass folgende Gäste zur Synode erwartet werden:

  • Piet Boumann,36 Genf, als Vertreter des ökumenischen Rates der Kirchen,

  • Bonnevie-Svendsen,37 Norwegen, als Vertreter des Nordisch-Deutschen Kirchenkonvents,38

  • Propst Hauge,39 Oslo,

  • Pfarrer de Luze,40 Paris, als Vertreter der Reformierten Kirche Frankreichs (ehemaliger Pfarrer der französischen Militärmission in Westberlin),

  • Prof. Pokorny,41 ČSSR,

  • Bischof Theissing,42 Schwerin, als Vertreter der katholischen Kirche,

  • Prof. Lohse,43 Hamburg, Mitglied des Rates der »Evangelischen Kirche in Deutschland«.

Der Vertreter der Russisch-orthodoxen Kirche ist namentlich noch nicht bekannt.

Braecklein teilte weiter mit, dass die offizielle Synode am 26.5.1973 um 9.00 Uhr mit einer Andacht eröffnet wird. Nach dem Bericht des Sonderausschusses über die Analysierung der Synodenarbeit und dem Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen sollen die Ausschüsse der Synode tagen.

Dem MfS wurde weiter bekannt, dass am 25.5.1973, in der Zeit von 20.00 bis 21.30 Uhr, in der Gedächtniskapelle des Doms eine Veranstaltung der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinden Schwerins mit Bischof Krusche,44 Magdeburg, und Oberkonsistorialrat Stolpe,45 Berlin, stattfand. Das Thema dieser Veranstaltung war »Mit der Kirche in die Zukunft«.

Bischof Krusche ging in seinen Ausführungen auf das Falcke-Referat auf der Synode des Bundes 1972 in Dresden ein und versuchte es zu rechtfertigen. Er stellte fest, dass es doch auch konstruktiv gewesen sei. Er verwies auf das christliche Ethos und brachte zum Ausdruck, dass die sozialistische Gesellschaft ein solches Ethos nicht aufbringen könne. Auf die Stellung der christlichen Bürger in der DDR ging er nicht ein. Er rief zur absoluten Kirchengemeinschaft auf und stellte die Leuenberger Konkordie46 in den Vordergrund.

Krusche kritisierte Kirche und Bund im Zusammenhang mit der ablaufenden Legislaturperiode der Synode des Bundes.

Er begrüßte besonders den Vertreter der »Evangelischen Kirche in Deutschland«.

Oberkonsistorialrat Stolpe behandelte die bisherigen Synoden des Bundes und stellte fest, dass die Kirche nicht mehr allmächtig sei, sondern sich begnügen müsse mit dem, was sie habe. Man sollte das real einschätzen. Er brachte in diesem Zusammenhang das Beispiel der Hagenower Kirche und sagte, das Mittelschiff könne abgerissen werden, es reiche das Seitenschiff, um die Christen aufzunehmen.47

Die Veranstaltung war relativ schwach besucht. Es nahmen ca. 150 Personen teil.

Aus internen Gesprächen wurde dem MfS noch Folgendes bekannt:

Vor der Synode hat Bischof Hempel48 Dresden mit allen Synodalen der Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsens eine Besprechung durchgeführt und ihnen mitgeteilt, dass er sich mit Bischof Schönherr, Oberkonsistorialrat Stolpe und weiteren leitenden Persönlichkeiten der evangelischen Kirche konsultiert habe. Es sei offensichtlich, dass diese Synode positiv programmiert sei. Alle leitenden Leute würden unter dem Druck des Staatsapparates stehen, und niemand wird es wagen, die wirklichen Probleme, wie sie Bischof Fränkel dargelegt habe, zum Ausdruck zu bringen. Es habe keinen Zweck, auf dieser Synode überhaupt zur Diskussion zu sprechen, da eine freie, offene Stellungnahme unmöglich sei. Der Staat habe vorher mit vielen leitenden Leuten Gespräche geführt, wobei starker Druck ausgeübt worden sei.

Der Leiter des Evangelischen Publizistischen Zentrums in Westberlin,49 Henkys, versuchte wiederholt, mit Synodalen ins Gespräch zu kommen oder Kontakt aufzunehmen.

So hat er den Synodalen Hanff,50 Köthen, gebeten, mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Eine weitere Kontaktaufnahme fand zu Oberkirchenrat Meckel,51 Berlin, statt. Henkys fragte Meckel nach dem Verlauf der Sitzung vom 25.5.[1973]. Meckel gab ihm jedoch keine Auskunft, sondern erklärte, dass es eine »stinklangweilige Sache« gewesen sei. Daraufhin meinte Henkys anmaßend, dass Meckel wohl auch »programmiert« sei.

Bischof Braecklein, Eisenach, will für die zweite Synode des Bundes nicht wieder als Präses kandidieren. Es wird allgemein vermutet, dass der Synodalpräses von Sachsen, Ofensetzmeister Cieslak, Seifhennersdorf, diese Funktion übernehmen wird. Cieslak selbst äußerte, dass er seinem Sohn die Geschäfte seines Handwerksbetriebes übertragen werde und dass er dann seine ganze Zeit auf die Arbeit für den Bund verwenden könne.

In diesem Zusammenhang wurde weiter bekannt, dass sich Bischof Braecklein, Oberkirchenrat Dr. Lotz,52 Eisenach, und Oberkonsistorialrat Stolpe über die Nachfolge für den Präses der Synode beraten haben.

Dabei wurde der Vorschlag gemacht, dass Oberkirchenrat Dr. Lotz kandidieren solle. Lotz lehnte jedoch ab, da er sowieso aus dem Kirchendienst ausscheiden würde.

Bischof Schönherr äußerte, dass er entsetzt sei über die »Lahmheit« des bisherigen Verlaufs der Synode. Unter diesen Umständen wäre er lieber erst am 26.5.[1973] angereist.

Prof. Lohse, Vertreter der »Evangelischen Kirche in Deutschland«, äußerte den Wunsch, näher mit Bischof Rathke, Schwerin, bekannt zu werden.

Diese Information ist nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt und darf wegen Quellengefährdung nicht öffentlich ausgewertet werden.

  1. Zum nächsten Dokument Festnahme von Personen wegen Ausschleusungsversuch

    28. Mai 1973
    Information Nr. 484/73 über die Verhinderung der Ausschleusung von Bürgern der DDR in die BRD bzw. nach Westberlin

  2. Zum vorherigen Dokument Abwerbung eines Generaldirektors des VEB Carl Zeiss

    25. Mai 1973
    Information Nr. 474/73 über die versuchte Abwerbung des Generaldirektors der Gemischten Vertriebsgesellschaft des VEB Carl Zeiss in Frankreich, Genosse [Name]