Staatsfeindliche Gruppe im Kreis Hildburghausen/Suhl
[ohne Datum]
Information Nr. 697/73 über die Entlarvung einer staatsfeindlichen Gruppe im Kreis Hildburghausen, [Bezirk] Suhl
Vom MfS wurde im Zusammenwirken mit der Deutschen Volkspolizei im Kreis Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, im Mai 1972 eine staatsfeindliche Gruppe, bestehend aus neun Mitgliedern, inhaftiert, deren Mitglieder arbeitsteilig und mit unterschiedlicher Intensität handelnd in den Monaten April und Mai 1972 in Hildburghausen fünf Brände gelegt hatten, die einen Schaden von ca. 177 TM verursachten und eine große Anzahl von Menschenleben gefährdeten.
Die Beschuldigten, die sich auf Initiative des Zetzmann, Harry,1 geboren [Tag, Monat] 1935, wohnhaft Hildburghausen, [Straße, Nr.], ehemals beschäftigt als Schuhmacher in der PGH »Fortschritt«, Themar, 1971 wegen Staatsverleumdung zu 14 Monaten Freiheitsentzug verurteilt, zu einer staatsfeindlichen Gruppe zusammengeschlossen hatten, verfolgten mit ihrer verbrecherischen Tätigkeit nachweislich das Ziel,
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Widerstand gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR zu leisten bzw. bei weiteren Personen hervorzurufen,
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die Volkswirtschaft der DDR zu schädigen und damit die Versorgung der Bevölkerung zu erschweren sowie
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Unruhe und Schrecken unter den Einwohnern Hildburghausens hervorzurufen.
Zur Durchsetzung dieser Zielstellung waren weitere umfangreiche Terror- und Diversionsverbrechen geplant, nach deren Ausführung die Mitglieder der staatsfeindlichen Gruppe die Staatsgrenze zur BRD gewaltsam durchbrechen wollten.
Alle Beschuldigten erhofften sich in der BRD Anerkennung als »politische Flüchtlinge« sowie hohe finanzielle Belohnung für ihre in der DDR begangenen Straftaten.
Die in der Zwischenzeit durch das MfS abgeschlossenen Untersuchungen über die staatsfeindliche Tätigkeit der Gruppe ergaben Folgendes:
Nach dem im März 1972 erfolgten Zusammenschluss zu einer staatsfeindlichen Gruppe begannen die Beschuldigten im April 1972, eine gemeinsam festgelegte Konzeption über das geplante Vorgehen zu realisieren.
So setzten sie am 2. April 1972 das Leergutlager, am 20. April 1972 die Tischlerei und am 26. April 1972 die Lagerhalle des VEB Kombinat Obst-Gemüse-Speisekartoffeln Hildburghausen in Brand.
Durch den schnellen Einsatz der Feuerwehr konnte jeweils das von der Gruppe eingeplante Übergreifen des Feuers auf andere Gebäude verhindert werden.
Am 1. Mai 1972 wurde während einer Veranstaltung im Kreiskulturhaus Hildburghausen auf Betreiben des Zetzmann ein Brand gelegt, um unter der Bevölkerung Panik hervorzurufen.
(Zum Zeitpunkt der Tatausführung befanden sich ca. 400 Personen im Brandobjekt.)
Aufgrund des umsichtigen Handelns eines Bürgers konnte der Brand kurz nach seiner Entstehung gelöscht und größerer Schaden verhindert werden.
Am 8. Mai 1972 wurde durch die Beschuldigten in Hildburghausen eine in unmittelbarer Nähe eines Schulhortes gelegene Scheune in Brand gesetzt. Der Plan der Gruppe sah vor, dass der Brand auf das Schulhortgebäude übergreift und das Leben der dort befindlichen Kinder gefährdet, um unter der Bevölkerung eine größere Wirksamkeit zu erzielen.
(Zum Zeitpunkt des Brandausbruchs befanden sich ca. 35 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren im Hort.)
Unmittelbar nach Brandlegung wurde dieselbe jedoch durch Schüler festgestellt, auf deren sofortige Meldung hin konnte größerer Schaden verhütet werden.
Weitere umfangreiche Diversionsverbrechen wurden durch die unmittelbar nach der letzten Brandstiftung erfolgte Festnahme der Beschuldigten verhindert.
Wie die Untersuchungen weiter ergaben, waren die Beschuldigten bereits im März 1972 übereingekommen, nach Realisierung ihrer geplanten Verbrechen einen gewaltsamen Grenzdurchbruch nach der BRD zu vollziehen.
Dazu war vorgesehen, Grenzsicherungskräfte kampfunfähig zu machen bzw. zu ermorden.
Bei den Beschuldigten handelt es sich um Arbeiter im Alter von 18 bis 37 Jahren. Vier von ihnen sind wegen Passvergehen bzw. Staatsverleumdung vorbestraft.
Ihr sonstiges Verhalten auf der Arbeitsstelle und im Freizeitbereich trug zumindest nach außen hin keine auffälligen negativen Anzeichen.
Bei den Beschuldigten hatte sich jedoch durch jahrelanges, systematisches Abhören von NATO-Sendern eine feindliche Einstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR entwickelt, die letztlich zum gemeinsamen Begehen der genannten staatsfeindlichen Handlungen führte.
Am 25.6.1973 erfolgte durch den Ersten Strafsenat des Bezirksgerichts Suhl bereits die Urteilsverkündung gegen drei dieser staatsfeindlichen Gruppe angehörende Beschuldigte, und zwar [Name, Vorname 1], geboren [Tag, Monat] 1948, ehemals beschäftigt als Hilfsdachdecker bei der Firma Hartmann, Hildburghausen, [Name, Vorname 2], geboren [Tag, Monat] 1954, ehemals beschäftigt als Transportarbeiter im VEB Kombinat Obst Gemüse Speisekartoffeln in Hildburghausen, beide wohnhaft Hildburghausen, [Straße, Nr.], und [Name, Vorname 3], geboren [Tag, Monat] 1941, ehemals beschäftigt als Kraftfahrer im VEB Kohlehandel Hildburghausen, wohnhaft Hildburghausen, [Straße, Nr.].
Das Bezirksgericht Suhl verurteilte die beiden erstgenannten Beschuldigten zu je 14 Jahren sowie den [Name, Vorname 3], zu zwölf Jahren Freiheitsentzug wegen Verbrechen gemäß §§ 101 (Terror),2 103 (Diversion),3 107 (staatsfeindliche Gruppenbildung),4 186 (schwere Brandstiftung)5 und 213 (geplanter ungesetzlicher Grenzübertritt).6
Die gerichtliche Hauptverhandlung gegen die anderen Gruppenmitglieder soll nach den X. Weltfestspielen durchgeführt werden.7
Da die verbrecherischen Umtriebe der staatsfeindlichen Gruppe unter der Bevölkerung von Hildburghausen große Unruhe hervorgerufen hatten, ist vorgesehen, nach Abschluss der noch ausstehenden Hauptverhandlung gegen den Rädelsführer Zetzmann und fünf andere eine entsprechende Pressemitteilung zu veröffentlichen.8