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Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens

4. Mai 1973
Information Nr. 359/73 über die Frühjahrssynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 31. März bis 4. April 1973 in Dresden

Während der Synode war die Tendenz erkennbar, dass durch evangelische Geistliche zum Teil versteckte Vorwürfe gegen den Staatsapparat wegen »erfolgter Bedrängnis im Zusammenhang mit der Konfirmation« erhoben wurden.

Zum Verlauf der Synode, die unter dem Thema »Mit der Bibel leben« stand, wurde Folgendes bekannt:

Der Synode waren eine große Anzahl von Vorlagen zugegangen, die sich überwiegend mit Fragen der Konfirmation, der Jugendweihe1 und der Kirchensteuer beschäftigten.

Zum Tagungsthema wurden fünf Kurzreferate gehalten, die jedoch keine politischen Aussagen enthalten.

Den Bericht der Inneren Mission gab Oberkirchenrat Petzold,2 Dresden. Er brachte u. a. zum Ausdruck, dass nicht genügend Plätze in Altersheimen vorhanden seien und im Pflegebereich ein großer Personalmangel herrsche. Hier seien vielfältige Möglichkeiten zur Erlernung von Berufen gegeben.

Im Bericht des Erziehungsausschusses zu Konfirmationsfragen, erstattet von Superintendent Dr. Schwintek,3 Werdau, wurde von der »immer stärker werdenden Bedrängnis« derer gesprochen, die sich konfirmieren lassen. Dies beziehe sich insbesondere auf den Besuch der EOS und die Zulassung zum Studium.

Schwintek ging als Sprecher des Sozial-Ethischen Ausschusses nochmals auf die »schwierige Situation junger Christen« ein und erklärte, dass aus der »Bedrängnis der jungen Christen« heraus ein »Wort an die Gemeinden« nötig sei.

Er rief die Kirchenvorstände auf, spätestens in ihrer nächsten Sitzung den Brief der Synode (siehe Anlage) zu beraten und ihn auf jede Weise in den Gemeinden bekanntzumachen, einschließlich Verlesung in den Gottesdiensten.

Dieser »Brief« war vom Erziehungsausschuss formuliert worden. Von der Synode wurden keine Einwände dagegen erhoben.

(Dem MfS wurde intern bekannt, dass Präsident Johannes,4 Dresden, nach Beendigung der Synode versuchte, den Inhalt des Briefes der Synode zu entschärfen bzw. seine Bekanntgabe einzuschränken. Er wies die Superintendenten in einer Dienstbesprechung am 6.4.1973 an, den Brief nicht als Kanzelabkündigung zu verlesen. Eine Verteilung des Briefes an die Pfarrämter ist bisher noch nicht erfolgt.)

(Die Herbsttagung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens findet in der Zeit vom 20.10. bis 24.10.1973 in Dresden statt.)

Von der Synode wurden folgende Synodale für die zweite Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR gewählt:

  • Synodalpräsident Johannes Cieslak,5 Seifhennersdorf

  • Superintendent Fritz,6 Dresden

  • Dozent Dr. Ulrich Kühn,7 Leipzig

  • Diplom-Ingenieur Dr. Michael Kinze,8 Dresden

  • Pfarrer Walter Taut,9 Sebnitz

  • Pfarrer Ch. Richter,10 Großhartmannsdorf

  • Pfarrer Vogel11

  • Bau-Ingenieur Lothar Teichmann,12 Karl-Marx-Stadt

  • Diplom-Ingenieur Magerstädt13

  • Kirchliche Angestellte Hanna Kahl,14 Oberfrauendorf

  • Pfarrer Bräuer15

  • Synodaler Landgraf.16

An die Konferenz der Kirchenleitung wurde von der Synode die Bitte gerichtet, Oberlandeskirchenrat von Brück,17 Radebeul, und Pfarrer Dietrich Mendt,18 Karl-Marx-Stadt in die Synode des Bundes zu berufen.

Dem MfS wurde intern bekannt, dass in Vorbereitung der Synoden in Görlitz19 und Dresden zwischen Bischof Fränkel20 und Bischof Hempel21 ein Gespräch stattgefunden hat, in dem darüber beraten wurde, welche Maßnahmen im »gemeinsamen Vorgehen in Grundproblemen gegen den Staat« durchgeführt werden sollten.

Die Passagen der Information, die als intern gekennzeichnet sind, können wegen Quellengefährdung nicht offiziell ausgewertet werden.

Anlage zur Information Nr. 359/73

Brief der Synode zur Lage der christlichen Jugend

Die Synode weiß, dass auch in letzter Zeit immer wieder versucht wird, Kinder und Jugendliche und deren Eltern vom christlichen Glauben abzudrängen. Kinder werden beeinflusst, die Christenlehre nicht mehr zu besuchen, Konfirmanden erfahren, dass die Teilnahme an der Konfirmation hinderlich für ihr weiteres Fortkommen ist, Jugendlichen wird deutlich gemacht, dass sie sich durch ein Leben in der Kirche den Weg in die Zukunft verbauen. Eltern geraten in Bedrängnis aus Sorge um den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder.

Die Kirche sieht diese Not. Sie versucht jede Gelegenheit zu nutzen, in Gesprächen auf allen Ebenen staatlichen Vertretern deutlich zu machen, dass damit die Grundsätze der Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt und die christlichen Bürger in der Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßig garantierten Grundrechte beeinträchtigt werden.

Die Synode ist sehr betroffen davon, dass trotzdem die Bedrängnisse der jungen Christen und ihrer Eltern, von einzelnen Fällen abgesehen, nicht aufhören. Aber wir wissen: Auch in diese Situation hat uns Gott hineingestellt. Wir können und dürfen ihr nicht ausweichen, wenn es gilt, für unseren Glauben einzutreten. Von daher wäre es kurzsichtig und irrig, der Entscheidung ausweichen zu wollen, vor die wir Christen immer wieder – und nicht nur in der Frage der Jugendweihe – gestellt werden. Wer meint, der Entscheidung im Einzelfall aus dem Wege gehen zu können. Hier steht unser Christsein auf dem Spiel.

Darum bitten wir die Gemeinden:

Lasst Euch nicht irre machen! Uns ist vom Herrn der Kirche aufgetragen, Kindern und Jugendlichen das Evangelium von Jesus Christus zu bezeugen und sie in das Leben der Gemeinde hineinzunehmen. Darauf können wir nicht verzichten.

Lasst die Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern nicht allein! In gegenseitiger brüderlicher Stärkung aus der Kraft des Evangeliums liegt die Chance, unsere Gemeinschaft zu bewähren. Wo Gemeinden oder Gemeindeglieder nicht direkt von den genannten Schwierigkeiten betroffen sind, erinnern wir sie an das Wort der Heiligen Schrift: »Wo ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit.«22

Beratet einander, wie ihr die Rechte, die uns in unserem Staat gegeben sind, in Anspruch nehmen könnt. Stärket einander, wo es gilt, aus Glauben Mut zu haben.

Bedenkt, ob der Sinn unseres Lebens vor allem darin liegt, dass wir in einer wie selbstverständlich gesicherten Existenz leben. Christen erfüllen ihren Auftrag in der Gesellschaft auch, wenn sie nicht die Möglichkeit hatten, einen Bildungsweg einzuschlagen, wie sie ihn sich dachten. Könnte das nicht eine der Weisen sein, wie wir heute das Kreuz Christi zu tragen haben?

Vergesset nicht, was unser Herr sagt: »Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele.«23

Wir vertrauen unserem Herrn, dass er uns Kraft geben wird, seinen Weg zu gehen, und wissen, dass er bei uns ist alle Tage.

D.308.4.73 140

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    4. Mai 1973
    Information Nr. 375/73 über die Festnahme von zwei Angehörigen der Nationalen Volksarmee wegen dringenden Verdachts der Spionage und Fahnenflucht

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    3. Mai 1973
    Information Nr. 411/73 über die Festnahme von zwei Bürgern der BRD und einem Westberliner Bürger im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung von Personenschleusungen in die BRD