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Synode des Bundes der Evangelischen Kirche in der DDR

31. Mai 1973
Information Nr. 496/73 über die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR vom 25. bis 29. Mai 1973 in Schwerin

Dem MfS wurden Einzelheiten über den weiteren Verlauf der Synode bekannt,1 die in Ergänzung unserer Informationen Nr. 478 vom 26.5.1973 und Nr. 486 vom 29.5.1973 mitgeteilt werden:

Die Synode wurde am 28.5.1973 mit einer Predigt von Pfarrer Mendt,2 Karl-Marx-Stadt, fortgesetzt. Mendt sprach u. a. davon, er sei als junger Pfarrer entsetzt gewesen über die Altertümlichkeit der Kirche. Während der Synode müsse er nun feststellen, dass die Synodalen »alles andere im Kopf haben als Gott«. Sie würden sich in jeder Weise von ihrer eigentlichen Aufgabe, das Wort Gottes zu verkünden, abhalten lassen.

Anschließend tagten die Ausschüsse der Synode in einer internen geschlossenen Sondersitzung.

Anliegen dieser Sondersitzung war festzulegen, ob die »Eingabe« der Görlitzer Synode3 »Die Synode beschließt aufgrund einer vorliegenden Bitte der Vertreter der Jungen Gemeinde der Kirchenkreise des Kirchengebietes, die im Mai 1973 in Schwerin tagende Bundessynode aufzufordern, sich an die Regierung der DDR zu wenden, um auf die Diskriminierung junger Menschen, die sich aus Glaubens- und Gewissensgründen nicht für die marxistisch-leninistische Weltanschauung entscheiden können, hinzuweisen und Abhilfe zu verlangen. Für die Jugendlichen sind die intoleranten Verhältnisse im Bildungssektor, die im groben Widerspruch zur verfassungsrechtlich garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit stehen, nicht länger ertragbar.«

als Wort an die Gemeinden verabschiedet wird oder ob sich die Synode des Bundes damit an die Volkskammer wenden solle. (Diese »Eingabe« war zu Beginn der Synode schriftlich allen Synodalen übergeben worden.)4

In dieser Sondersitzung versuchten die reaktionären Kräfte der Synode, diese Eingabe durchzusetzen. In einer einstündigen Debatte traten dabei insbesondere Synodalpräses Cieslak/Dresden,5 Oberkonsistorialrat Juergensohn/Görlitz6 sowie die Synodalen Runge/Halle-Neustadt7 und TeichmannX/Karl-Marx-Stadt8 auf.

Runge, der in dieser Debatte als erster Redner der reaktionären Kräfte auftrat, plädierte dafür, schriftlich »ein Wort« an die Gemeinden und Eltern zu richten und forderte, die Synode solle sich mit den »bedrängten Jugendlichen« solidarisieren. Er wurde von den Synodalen Oberkonsistorialrat Juergensohn, Mendt und Teichmann unterstützt. Synodalpräses Cieslak betonte, man solle sich nicht nur an die Volkskammer wenden, sondern diese Problematik auch den Gemeinden mitteilen.

Gegen das von diesen Kräften vorgesehene Hochspielen dieses Problems traten progressiv auf die Bischöfe Braecklein/Eisenach,9 Schönherr/Berlin,10 Gienke/Greifswald,11 Natho/Dessau12 und Fränkel/Görlitz13 (zum Teil).

Bischof Braecklein betonte, es sei keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme vorhanden. Es seien mit staatlichen Stellen Sachgespräche geführt worden, und das Grundsatzgespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen stehe noch aus.

Bischof Fränkel äußerte, nach seiner Meinung sei die »Eingabe« »ungeschickt formuliert«. Er persönlich habe keinen Wert darauf gelegt, dass sie an alle Synodalen verteilt werde.

Präsident Johannes/Dresden,14 und Dozent Kühn/Leipzig,15 vertraten die Meinung, dass man die Situation nicht noch verschärfen solle.

Es konnte erreicht werden, dass die »Eingabe« von der internen Sitzung an den Berichtsausschuss zur weiteren Behandlung überwiesen wurde.

In der anschließenden internen Beratung des Berichtsausschusses versuchte der Synodale Runge durchzusetzen, dass die Synode ein »eigenes Wort zum Problem Volksbildung« verabschiedet. Gegen diesen Versuch trat Landesjugendpfarrer Günther/Potsdam16 auf, der von den meisten Mitgliedern des Berichtsausschusses unterstützt wurde.

Nachdem die Gruppe um Runge feststellte, dass sie im Berichtsausschuss nicht die Mehrheit erreicht, setzte Runge durch, das Problem als »Initiativantrag« vor das Plenum der Synode zu bringen.

In der Plenardebatte erklärte Bischof Fränkel, er sei »aufrichtig dankbar«, dass das Anliegen des Antrags der Landessynode Görlitz zu Problemen der Volksbildung durch den auf der Synode gegebenen Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen17 erfüllt worden sei, und zwar in einer »sachlichen und wohltuenden klaren Weise«. Die Probleme seien voll vor der Öffentlichkeit – was nach seiner Meinung sehr wichtig sei – angesprochen worden. Dadurch seien alle Möglichkeiten gegeben, dass die Vertreter des Staates »mit ganzem Ernst diese Frage zur Kenntnis« nehmen, damit eine Lösung erfolgt. Die Synode solle von der Voraussetzung ausgehen, dass »dieses Bedenken in einer guten Weise zu fördern ist«.

Aus diesem Grunde erkläre er sich bereit, den Antrag der Görlitzer Synode doch nicht einzubringen. »Man müsse auch einmal lernen, klug zu sein.«

Als sich zunächst niemand der anwesenden reaktionären Kräfte gegen diese Ausführungen Fränkels wandte, erklärte Oberkonsistorialrat Juergensohn/Görlitz, er bleibe dabei, dass die Vorlage 7, die »Eingabe« vor der Synode behandelt werde. Bischof Fränkel habe nicht das Recht, sich in den Antrag der Landessynode einzumischen. Er bemerkte dann jedoch, die »Eingabe« sei nun keine Vorlage mehr und machte den Vorschlag, sie als »Arbeitsmaterial« zu deklarieren.

Diesem Vorschlag wurde zugestimmt, und das Material wurde dem Synodenausschuss übergeben.

In der Plenardebatte wurde weiter der Haushaltsplan behandelt und der vorliegende Bericht bestätigt. Er schließt mit ca. 100 000 M Defizit ab.

Der letzte Beratungstag am 29.5.1973 begann mit einer Andacht. Die Synode wurde im Plenum fortgesetzt. Der Gast aus Frankreich, Pfarrer de Luze,18 sprach ein Grußwort und bedankte sich für die ihm gegebene Möglichkeit der Teilnahme an der Synode.

Danach wurden vom Wahlvorbereitungsausschuss vier Kandidaten vorgeschlagen, von denen zwei in die Konferenz der Kirchenleitungen19 zu wählen waren.

Vorgeschlagen wurden:

  • Pfarrer Grünbaum,20 Rathenow

  • Diplom-Forstwirt Gürtler,21 Kratzeburg

  • Diplom-Chemiker Runge, Halle-Neustadt

  • Studentenpfarrer Uhle-Wettler,22 Magdeburg.

In die Konferenz der Kirchenleitungen wurden Uhle-Wettler mit 33 und Gürtler mit 32 Stimmen gewählt.

Anschließend sprach der erst am 29.5.1973 angereiste Exarch des Moskauer Patriarchats in der Hauptstadt der DDR Filaret23 ein Grußwort.

Danach erfolgte die Behandlung der in den Ausschüssen erarbeiteten Vorlagen.

Die Vorlagen 10, 11 und 12 wurden ohne Kommentar angenommen. Diese Vorlagen, Anträge des Ausschusses »Kommissionen und Ausschüsse«, beschäftigen sich mit der Umwandlung bisheriger Ausschüsse in Kommissionen und dergleichen.

Die Vorlage zwei über die künftige Arbeitsweise der Bundessynode wurde ebenfalls angenommen.

Der Berichtsausschuss brachte die Vorlagen 14 a, b, c und d ein (Stellungnahmen zum Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen). Der Synodale Rektor Hinz/Gnadau,24 sprach sich in der Diskussion darüber gegen die Vorlage 14 a aus, die sich mit der Stellung der Kirche im Sozialismus beschäftigt und erklärte, er sei empört über die in offiziellen Veröffentlichungen erfolgte »Überbewertung des politischen Engagements« der Synode von Eisenach.25 Überall sei im Sinne der Kirche richtige Politik gemacht worden. Er versuchte, die politischen Aussagen der Synode von Eisenach abzuschwächen und brachte zum Ausdruck, die Ausführungen von Bischof Rathke26 in Eisenach seien gänzlich anders gemeint gewesen.27 Man habe sie fehlinterpretiert. Missverständnisse, die verschärfen, würden immer größere Bedeutung gewinnen. Formulierungen wie »nicht gegen« oder »neben« und »in der sozialistischen Gesellschaft« würden zu einer sozialistischen Gesellschaftsanalyse ausgenutzt. Diesen »Entstellungen« müsse man entgegentreten. Die Darstellungen in der Presse würden eine »Versuchung für die Kirche« darstellen. Die Vorlage könne so nicht bleiben, sie würde ein »falsches Bild« geben. Nach einer Diskussion über Verfahrensfragen bestätigte die Synode die Vorlage, ohne den Einspruch von Hinz zu berücksichtigen.

Danach wurde die Vorlage 14 b (zur Veranstaltungsverordnung28) beraten.

Pfarrer Kramer/Magdeburg,29 forderte eine »Verschärfung« der Vorlage durch den Zusatz, dass die Kirchen »eine weitere Klärung in dieser Frage erwarten dürfen«.

Bei neun Stimmenthaltungen wurde die Vorlage mit dem von Kramer geforderten Zusatz angenommen. (Die Vorlage 14 b zur Veranstaltungsverordnung wird als Anlage beigefügt.)

Die Vorlage 14 c, »Bedrängnisse in der Volksbildung« wurde einstimmig angenommen. (Die Vorlage wird als Anlage beigefügt.)

Danach wurde die Vorlage 14 d zur ökumenischen Tätigkeit diskutiert. Oberkirchenrat von Brück/Dresden30 bedauerte, dass der Beitrag von Landesjugendpfarrer Günther/Potsdam31 zur Weltverantwortung der Kirche nicht beachtet worden sei.32

Ökumenische Beziehungen seien mehr als Antirassismus-Programm33 und gegenseitige Besuche. Es gehe um brennende Fragen der Weltverantwortung. Von Brück lobte den Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen und forderte, dass man verstärkt in den Gemeinden auf die weitere Solidarität mit Vietnam wirken solle.34 Aus dem Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen könne man gute Anregungen für Aktivitäten in den Gemeinden entnehmen. Er schlug vor, diese Teile des Berichtes der Vorlage 14 d als Ergänzung beizufügen.

Dieser Vorschlag wurde mit 22 gegen 16 Stimmen angenommen. Die Gesamtvorlage 14 d wurde mit drei Enthaltungen angenommen.

Weitere Vorlagen beinhalten innerkirchliche Fragen.

Der Präses der Synode, Bischof Braecklein, sprach das Schlusswort. Er brachte u. a. zum Ausdruck, dass dies eine »Bilanzsynode« gewesen sei, bei der Plus und Minus aufgezeigt worden wären. Unter dem Minus seien »mancherlei Verbesserungswünsche« zu verbuchen. Man dürfe aber auch nicht die Augen vor dem Plus verschließen. Das Zusammenwachsen im Bund sei wichtig gewesen. Synode und Bund seien noch neue Formen kirchlicher Arbeit. Bei einem solchen Experiment könne nicht alles reibungslos verlaufen. Ein Plus sei auch die Arbeit der Kommissionen. Sie müssten in Zukunft stärker auf die Landeskirchen wirken. Es gelte zwei wesentliche Fragen zu klären:

1. Die Ordnung des Bundes35 müsste »in der Auseinandersetzung geprüft« werden, ob sie standhält.36 Der Bund sei »eine gute Form des kirchlichen Seins«. Die Synodalen hätten noch nicht alle ihre Ideen in die Synode einfließen lassen; es gäbe noch Reserven.

2. Die Kirche in der sozialistischen Gesellschaft.

1969 sei die Trennung von der »Evangelischen Kirche in Deutschland« erfolgt.37 Das sei »sehr schmerzlich« gewesen. Die evangelische Kirche in der DDR habe sich aber »deutlicher und froher die Aufgabe gestellt, Kirche in veränderter Umwelt zu sein. Wir sind als Christen in dieser sozialistischen Gesellschaft gefragt, wie wir mittun, und wir sind hineingenommen in die gesellschaftlichen Aufgaben. Wir sind immer wieder angesprochen worden, zu den weltpolitischen Fragen, wenn wir ins Ausland kamen.«

Braecklein erklärte weiter u. a.:

»Unsere größte Stärke ist es, dass wir in einem ständigen Dialog mit denen draußen und auch untereinander sind. Unsere Einheit besteht in der Vielfalt. Das Dienen in der Welt ist für uns notwendig, denn Gott setzt alles in Gang.«

Damit schloss die Synode.

Das Präsidium der Synode gab am 29.5.1973, 14.00 Uhr, eine Pressekonferenz.

Sie wurde vom Leiter der Presseabteilung des Bundes Borgmann38 geleitet.

Von der Synode des Bundes nahmen teil:

Die Bischöfe Schönherr und Braecklein, Oberkonsistorialrat Stolpe,39 Synodalpräses Cieslak, Pfarrer Kramer, Frau Radke,40 Oberkirchenrat Dr. Lotz,41 Landesjugendpfarrer Günther und Brigitte Grell.42

Seitens der Presse waren anwesend:

Jastrow/ADN,43 Klages/»Neue Zeit«,44 Gründer/»Demokrat«,45 die kirchlichen Presseorgane der DDR und der Journalist Henkys46 vom Evangelischen Pressedienst (epd) der BRD.

Während der Pressekonferenz kam es u. a. zu folgenden Fragen und Antworten:

Klages, »Neue Zeit«, knüpfte an das Schlusswort von Bischof Braecklein und seinen Hinweis an, dass die DDR-Kirchen von der Ökumene oft nach der Stellungnahme zur Sicherung des Friedens, Aufnahme der DDR in die UNO47 usw. befragt werden. Er stellte die Frage: »Gehört es nicht zur positiven Bilanz des Bundes, dass er nicht nur Anfragen entgegennahm, sondern dass durch seine Vertreter auch klare Antworten gegeben wurden?«

Antwort von Bischof Braecklein: »Wir haben als Bund eine Entwicklung durchgemacht, zu allgemeinen politischen Fragen Stellung zu nehmen. Das taten wir in doppelter Eigenschaft: als Bürger unseres sozialistischen Staates und als Christen bei unseren Reisen ins Ausland.«

Jastrow (ADN) nahm Bezug auf die Bemerkungen des Synodalen Günther während der Debatte im Plenum (Günther hatte bemängelt, dass im Bericht keine konkreten Ausführungen zur Weltverantwortung gemacht wurden.) und stellte die Frage: »Kann man wenigstens in dieser Zusammenkunft ein konkretes Wort hören?«

Antwort von Bischof Braecklein: »Die Synode hat spezielle Aufgaben gelöst, die es ihr nicht erlaubten, darauf einzugehen. Es ging vor allem um die Bilanz und Weiterentwicklung des Bundes.«

Jastrow (ADN): »Aber im Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen ist doch zur Situation Stellung genommen worden. Gehört dazu nicht auch eine Stellungnahme zur Weltverantwortung?«

Antwort Bischof Braecklein: »Wir haben nur zur Situation der Kirche in der sozialistischen Gesellschaft Stellung genommen.«

Gründer (»Demokrat«): »Kann schon etwas zum Ergebnis der Sammlung für das Antirassismus-Programm gesagt werden?«

Antwort Bischof Schönherr: »Dazu kann noch kein Ergebnis bekannt gegeben werden, da der Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Entscheidend ist, wie dieser Prozess in den Gemeinden in Gang kommt. Bestimmte Fernsehsender und Rundfunksender stellen das Antirassismus-Programm infrage, sodass wir nach solchen Sendungen in unseren Gemeinden stets auf die Frage stoßen, ob das Sache der Kirche sei.«

Der Vertreter der Mecklenburgischen Kirchenzeitung: »Wie ist die Auswirkung der Bundessynode auf die Gemeinden?«

Antwort Bischof Braecklein: »Die Bundessynode hat an Ansehen gewonnen, aber eine unmittelbare Auswirkung ihrer Tagungen auf die Gemeinden kann man nicht erwarten. Entscheidend ist der Kontakt, den die Synodalen zu den Gemeinden halten.«

Bischof Schönherr: »Bewegende Situationen, die etwas verändern, erreichen wir nur durch Gespräche und persönliche Begegnungen.« Er empfahl der Kirchenzeitung, das von ihm in der Synode vorgebrachte Thema »Bundesbesuchswoche« weiter »auszuspinnen«. Dadurch könne der Bund an Publizität gewinnen.

Henkys (epd): »Weshalb ist in der Vorlage 14 c gesagt, dass sich die Kirche in jeder Gemeinde repräsentiert?«

Antwort Bischof Braecklein: »Es ist bei uns noch so, dass wir noch ein Obrigkeitsprinzip haben. Der Pfarrer in der Gemeinde repräsentiert immer noch die Obrigkeit. Das muss geändert werden, nicht der Pfarrer spielt die erste Geige, sondern alle müssen mitwirken.«

Henkys: »In seinen ersten Antworten hat Bischof Braecklein den Begriff verwendet ›christliche Bürger eines sozialistischen Staates‹. Warum ist nicht der auf dem 13. Parteitag der CDU verwandte Begriff von dem ›Staatsbürger christlichen Glaubens‹ verwandt worden, wie ihn Albert Norden48 anwandte?«49

Antwort Bischof Braecklein: »Wir grenzen uns nicht ab von diesem Begriff, der dort geprägt wurde. Es wäre gut, wenn wir uns in dieser Frage einmal mit Herrn Norden konsultieren würden.«

Bischof Schönherr meinte, er sei der Meinung, der Ausspruch, den Albert Norden anwandte, treffe auf die CDU-Mitglieder zu, nicht für die Allgemeinheit der Christen. So habe auch der Bund das aufgefasst.

Henkys: »Wie sind die Themen der nächsten Synode? Hat sie eine gleiche Thematik?«

Oberkonsistorialrat Stolpe: »Die Themen werden bleiben, d. h. der Christ in der sozialistischen Gesellschaft wird uns auch in der nächsten Synode beschäftigen.«

Henkys: »Der Bund wurde in Potsdam gegründet. Sie sprechen immer davon, in Eisenach habe das begonnen. Wie ist das zu verstehen?«

Bischof Schönherr: »Als der Bund in Potsdam gegründet wurde, konnte man noch nicht von einer erfolgreichen Arbeit der Synode sprechen, da musste man sich erst konstituieren. Die eigentliche Arbeit der Synode begann in Eisenach. Deshalb sagen wir: dort liegt der Beginn. Aber wir haben auch in Dresden weitergearbeitet und auch hier in Schwerin.«

Mecklenburgische Kirchenzeitung: »Wird die neue Synode das Thema von Eisenach wieder aufgreifen?«

Bischof Braecklein: »Das Thema ›Christ in der sozialistischen Gesellschaft‹ wird bleiben, weil wir uns immer wieder mit der Situation auseinandersetzen müssen, in der wir uns befinden.«

Bischof Schönherr: »Seit Bestehen des Bundes sind wir zu immer intensiver werdenden Gesprächen mit dem Staat über diese Frage gekommen. Ich verweise auf die Begegnung vom 26.6.1972. Danach haben wir unsere Antwort auf die dort gestellte Frage formuliert, und jetzt warten wir auf die Gelegenheit, sie zu übergeben.50 So hoffen wir, dass eines Tages ein natürliches, immer weniger Spannungen enthaltenes Gespräch zustande kommt.«

Dem MfS wurden weiterhin interne Hinweise aus individuellen Gesprächen zwischen Teilnehmern der Synode bekannt, die im Zusammenhang mit der Synode zu beachten sind.

So sprachen sich eine Reihe Synodalen intern gegen das progressive Auftreten von Oberkirchenrat Dr. Lotz/Eisenach51 und Landesjugendpfarrer Günther/Potsdam aus.

Günther habe »völlig zu Unrecht« immer wieder versucht, innen- und außenpolitische Fragen in die Diskussion der Synode zu tragen. Er hätte deshalb sogar von Bischof Schönherr und Superintendent Steinlein/Nauen52 »zurechtgewiesen werden müssen«. Sie – die reaktionären Kräfte – wären sich aber »einig gewesen«, dazu nichts zu sagen.

Einige Synodale brachten zum Ausdruck, Günther würde für seine Bemühungen in dieser Richtung »vom Staat auch gelobt«. Er habe sich wegen seiner Reise nach den USA engagieren müssen.

Bischof Hempel/Dresden53 äußerte Günther gegenüber, dass nach seiner (Günthers) Meinung die »Probleme der Kirche wohl klein seien gegenüber den außenpolitischen«. Das wäre eine »Verzerrung von Tatsachen«.

In anderen individuellen Gesprächen wurde Oberkirchenrat Dr. Lotz angegriffen, da er sich häufig »in Anlehnung an den Staatsapparat der DDR« befände.

Bereits während der Zusammenkunft am 25.5.1973 vor der Synode bei Bischof Rathke habe man ihn die Meinung der Bischöfe indirekt wissen lassen, da er den Entwurf des Briefes an den Staatssekretär für Kirchenfragen zur Veranstaltungsordnung54 (war am 11./12.5.1973 während der Sitzung der Konferenz der Kirchenleitungen angenommen worden55) nicht im Sinne vieler Bischöfe formuliert habe.

Zum gleichen Problem richtete Hempel in einem individuellen Gespräch an Bischof Braecklein die Frage, wie er es zulassen könne, dass Lotz sich »mit dem Staatsapparat abstimmt«.

Braecklein verbat sich »diese Verdächtigung und Diffamierung«. Der Brief sei in Eisenach in der Kirchenleitung ausgearbeitet worden mit seinem Wissen und seiner Kenntnis. Er »verbürge sich dafür«, dass es sich bei dem Entwurf um eine rein kirchliche Angelegenheit handele.

»Verwirrung« habe das Verhalten Bischof Fränkels ausgelöst, der offensichtlich nicht mehr voll hinter seinen Ausführungen von Görlitz stehe.56

Pfarrer Kramer/Magdeburg erklärte z. B., dass der »Verrat« von Bischof Fränkel empörend sei. So ein Auftreten sei doch nur in diesem autoritären Kirchenbereich Görlitz möglich, wo der Bischof gleichzeitig Despot ist.

Dem MfS weiter vorliegende interne Hinweise beinhalten, dass sich die Kirchenleitung Schwerin nicht mit den negativen Ausführungen von Oberkirchenrat Siegert57 auf der Synode solidarisiert.58 Präsident Roßmann59 betonte in einem internen Gespräch, dass Siegert als Synodaler des Bundes gesprochen habe und nicht als Vertreter der Landeskirche. Roßmann beanstandete die Form von Siegerts Vortrag, vertrat aber die Meinung, dass diese Probleme der Benachteiligung christlicher Kinder nun einmal vorhanden sind und auch angesprochen werden dürfen. Er selbst habe viele gute, effektive und sachliche Gespräche mit Vertretern des Staatsapparats geführt.

Es fehle jedoch seitens der staatlichen Organe in Bezug auf die Probleme der Volksbildung eine eindeutige Weisung. An den Oberkirchenrat würden immer wieder Fälle der Benachteiligung christlicher Kinder herangetragen, u. a. werde des Öfteren Hortkindern verwehrt, an der christlichen Unterweisung teilzunehmen.

Viele Eltern würden sich wegen der eventuellen Auswirkungen nicht getrauen, sich für ihre Kinder einzusetzen.

Weiter wurde bekannt, dass die Bischöfe Schönherr, Braecklein, Gienke, Natho und zum Teil auch Fränkel es ablehnen, ein Schreiben zu Problemen der Volksbildung an die Regierung der DDR zu richten. Es besteht darüber Einigkeit, dass eine solche Maßnahme nicht im Interesse der weiteren Gestaltung eines besseren Verhältnisses zwischen Bund und Regierung liege.

Bischof Braecklein äußerte im internen Kreis, wenn er nicht sowieso von seiner Funktion als Präses der Synode des Bundes zurücktreten würde, hätte er während der Schweriner Synode diese Funktion niedergelegt. Die Synoden hätten nicht mehr das notwendige Format, und die Ergebnisse seien unbefriedigend.

Von einigen Synodalen wurde in individuellen Gesprächen eingeschätzt, dass sich Oberkirchenrat Meckel,60 Berlin, der für die Betreuung der ausländischen Gäste verantwortlich war und diese ständig begleitete, »sehr geschickt verhalten« habe. So habe er z. B. dafür gesorgt, dass die Ausländer immer dann nicht in der Synode anwesend waren, wenn eventuell negative Ausführungen – z. B. durch Bischof Fränkel – zu erwarten waren.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nicht zur öffentlichen Auswertung bestimmt.

Anlage 1 zur Information Nr. 496/73

Berichtsausschuss

Vorlage 14 b

Stellungnahme zum Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen II

Die Synode nimmt dankbar zur Kenntnis, dass durch die Regelung des Ministeriums des Innern mit Wirkung vom 1.6.1973 die Schwierigkeiten, die bei der Handhabung der Veranstaltungsverordnung im Blick auf Bibelrüstzeiten mit Kindern und Jugendlichen und Konfirmandenrüsten in den letzten Jahren entstanden waren, behoben werden konnten.61

Die Synode begrüßt es, dass aufgrund der im Gespräch vom 6.4.1973 formulierten Leitgedanken (Bericht der Konferenz 2.1.5.3.62) weitere Klärungen im Blick auf alle sonstigen kirchlichen Aktivitäten verwertet werden dürfen.

Anlage 2 zur Information Nr. 496/73

Berichtsausschuss

Vorlage 14 c

Stellungnahme zum Bericht der Konferenz der Kirchenleitungen III

Der Bericht nimmt auch diesmal Stellung zu den Nöten, die für Kinder und Jugendliche in Schule und Ausbildung durch ihre Teilnahme am kirchlichen Leben entstehen. Die Synode stellt sich ganz zu dem, was die Konferenz der Kirchenleitungen zu den hiermit zusammenhängenden Fragen gesagt hat. Auch in den Gliedkirchen ist durch Synoden und Kirchenleitungen hierzu mehrfach das Wort genommen worden. Dennoch haben die Schwierigkeiten zugenommen.

In zahlreichen Gesprächen konnten Einzelfälle geklärt werden, aber die Situation hat sich weiter verschlechtert. Dadurch hat sich bei Kindern, Jugendlichen und Eltern in unseren Gemeinden der Eindruck verstärkt, dass bei Teilnahme am kirchlichen Leben mit negativen Auswirkungen zu rechnen ist.

Die Synode bittet die Konferenz und alle Kirchenleitungen, weiterhin jede Möglichkeit des Gespräches mit Vertretern des Staates zu nutzen, um ein befriedigendes Maß an Toleranz und Respektierung von Glauben und Gewissen zu erwirken. Sie erwartet von der Konferenz der Kirchenleitungen auf der nächsten Synodaltagung dazu einen Bericht.

Mit allen Gemeinden weiß sich die Synode einig in der Aufgabe, darüber nachzudenken, wie wir in dieser Lage unseren Glauben an Jesus Christus, den Herrn der Welt und unseres Lebens, bewähren.

Wir müssen uns fragen, ob wir es Jesus Christus zutrauen, dass er uns die Kraft gibt, in solchen Anfechtungen die Freude des Strebens zu behalten.

Wir müssen überlegen, wie wir in den Gemeinden den Kindern, Jugendlichen und Eltern helfen können; diese Hilfe könnte bestehen in Informationen und Ermutigung in Gesprächen, in Fürbitte und Fürsprache.

Wir müssen lernen, auch bei unterschiedlichen Entscheidungen in den beschriebenen Konflikten die Gemeinschaft des Glaubens durchzuhalten. Die besondere Zuwendung der Gemeinde wird denen gelten, die sich wegen dieser Konflikte vom Gemeindeleben zurückziehen.

Über diese akuten Probleme hinaus ist eine umfassende Besinnung auf die Situation unserer kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit dringend notwendig. Wir empfehlen der neuen Bundessynode, möglichst bald eine Synodaltagung diesem Thema zu widmen. Dabei sollten die Vorarbeiten der Arbeitsgremien des Bundes für kirchliche Kinder- und Jugendarbeit, Konfirmation und Ausbildung einbezogen werden.

  1. Zum nächsten Dokument Gewalt gegen den FDJ-Sekretär für Landjugend Angermünde

    4. Juni 1973
    Information Nr. 503/73 über das gewalttätige Vorgehen gegen den Sekretär für Landjugend der FDJ-Kreisleitung Angermünde, [Kreis] Frankfurt (Oder), Genosse Lüdtke, Ludolf, am 1. Juni 1973

  2. Zum vorherigen Dokument Hinweise über anonyme Anrufe, Bombendrohungen, Drohbriefe

    30. Mai 1973
    Hinweis über Vorkommnisse, Handlungen und Erscheinungen im Zusammenhang mit anonymen Anrufen, Bombendrohungen, Versenden von Drohbriefen u. a. beachtenswerten Aktivitäten [Bericht K 2/37]