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Tagung der Synodalen der Evangelischen Kirche der Union

16. Juli 1973
Information Nr. 650/73 über die interne Informationstagung der Synodalen der »Evangelischen Kirche der Union« am 23. Juni 1973 in Berlin-Karlshorst

Am 23.6.1973 fand in der Zeit von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr in Berlin-Karlshorst, Eginhardstraße, eine interne Informationstagung für die Synodalen der »Evangelischen Kirche der Union« (EKU)1 statt.

Von den Bischöfen der unierten Kirchen war Bischof Fränkel/Görlitz,2 der derzeitige Vorsitzende des Rates der EKU, anwesend.

Die Tagesordnung sah vor:

1. Bericht des Präsidenten der Kirchenkanzlei der EKU, Dr. Pietz,3 Berlin, über die »Verwirklichung der Beschlüsse der Synode der EKU 1972 in Magdeburg«;4

2. Bericht über die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR im Mai 1973 in Schwerin,5 Berichterstatter Präses Waitz,6 Magdeburg;

3. Aussprache zu beiden Berichten.

Im Folgenden werden Einzelheiten der internen Tagung sowie Auszüge aus den dort vorgetragenen Berichten wiedergegeben.

Zu Beginn der Tagung wurde bekannt gegeben, dass die Funktion des Ratsvorsitzenden der EKU ab 1. Juli 1973 Bischof Gienke/Greifswald7 übernehmen wird.

Im Bericht über die »Verwirklichung der Beschlüsse der Magdeburger Synodaltagung 1972« zog Dr. Pietz Fazit über die Arbeit der EKU seit ihrer organisatorisch-rechtlichen Verselbstständigung in der DDR.8

Dabei führte er u. a. aus:

»… Als wir in Magdeburg nach der Annahme des Kirchengesetzes über die Organe und Dienststellen der Evangelischen Kirche der Union9 auseinandergingen, das unter Schmerzen zustande gekommen war, taten wir es in der erklärten Hoffnung, ›dass die andere Regionalsynode eine entsprechende Entscheidung zu treffen vermag‹ … Zwei Wochen später, vom 5. bis 8. Mai [1972], tagte die westliche Regionalsynode im Spandauer Johannesstift. Schon im einleitenden Bericht des stellvertretenden Ratsvorsitzenden, Präses D. Thimme,10 wurde auf die ›weitreichenden‹ Entscheidungen von Magdeburg verwiesen, die der Redner nicht als ›Akkomodation‹ im Sinne einer ›Preisgabe des Eigentlichen der anvertrauten Botschaft‹, sondern als ›Applikation‹ verstanden wissen wollte, d. h. als ›möglichst konkrete Beziehung des kirchlichen Zeugnisses und Dienstes auf die Gegebenheiten der je verschiedenen Gesellschaft‹. ›Die geistliche Gemeinschaft der Kirche als Ganzes‹, erklärte er, ›wird durch ein Eingehen auf die je besondere gesellschaftliche Wirklichkeit nicht infrage gestellt‹.

Die Regionalsynode hat sich dann sowohl das Kirchengesetz über die Organe und Dienststellen als auch das Kirchengesetz über eine mögliche Erweiterung des Rates der EKU um zwei Laien-Synodale zu eigen gemacht. Mit dem Ausdruck besonderer Dankbarkeit nahm sie unsere ›Erklärung über die Gemeinschaft und Zusammenarbeit der Kirchen‹ entgegen.11

Mit den Ergebnissen von Spandau war der Weg zur Verkündung der ordnungsergänzenden bzw. verändernden Kirchengesetze frei. Sie erfolgte in der letzten Sitzung des einen Rates der EKU am 13.6.1972. Dabei wurden auch die ersten Beschlüsse zur Ausführung des Regionalisierungsgesetzes12 gefasst. Sie betrafen einmal die Bezeichnungen der Organe und Dienststelle in den beiden Bereichen. Synode, Rat und Kirchenkanzlei führen danach jetzt einheitlich die Bezeichnung »Bereich Deutsche Demokratische Republik« bzw. »Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West« …

Eine wichtige Folgerung aus der neuen Rechtssituation wurde mit der ersten getrennten Wahl der Vorsitzenden gezogen:

Für die Zeit vom 1.7.1972 bis 30.6.1973 wurde für den Bereich DDR Bischof D. Fränkel/Görlitz zum Ratsvorsitzenden und Konsistorialpräsident Dr. Krause/Magdeburg13 zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden bestellt; für den Bereich BRD und Berlin-West übernahmen die gleichen Funktionen Präses D. Thimme/Bielefeld und Propst Dr. Dittmann/Berlin14 …

Dass das Kirchengesetz und seine Ausführungsbestimmungen nunmehr ein volles Jahr gehandhabt werden, macht ein vorsichtiges Urteil möglich.15 Es kann nur dahin gehen, dass sich die neue Ordnung als praktikabel erwiesen hat. Irgendwelche schwierigen Rechtsprobleme haben sich nicht ergeben, und die saubere Trennung zwischen der Entscheidungsbefugnis, die ausschließlich den Organen und Dienststellen der beiden Bereiche zusteht, und der Pflicht zu wechselseitiger Unterrichtung und Beratung, die die beiden Bereiche in ›brüderlicher Gemeinschaft‹ aneinander bindet, hat sich bewährt …

Aus der einen Kirchenkanzlei sind durch die Magdeburger und Spandauer Beschlüsse zwei Bereichskanzleien geworden. Damit fällt mancher Arbeitsvorgang hin, der vorher um der Wahrung einer Einheit willen notwendig war, die aufs Ganze gesehen doch nur eine ›Proforma-Einheit‹ sein konnte. Faktisch ist die Verbindung kaum lockerer geworden; die allgemeinen Besuchserleichterungen16 haben zu vermehrten brüderlichen Begegnungen zwischen allen Mitarbeitern der beiden Dienststellen geführt, und die Kollegen treffen sich über die gemeinsamen Ratssitzungen hinaus zu Arbeitsbesprechungen, die sehr wesentlich eben der Vorbereitung dieser Sitzungen dienen.

Wie schließlich die Arbeit unserer Ausschüsse unter den neuen Gegebenheiten vonstatten geht, wird zum guten Teil an den speziellen Berichten deutlich werden, die auf dieser Informationstagung über die Ergebnisse oder Vorhaben im Einzelnen von ihnen noch gegeben werden sollen …

Der Theologische und der Liturgische Ausschuss zum Beispiel behandeln Fragen, die über die Grenzen der beiden Bereiche hinweg die Evangelische Kirche der Union als solche fordern und darum von der Sache her eine gemeinsame Arbeit nahelegen. Bei anderen Ausschüssen – wie z. B. dem Ökumenischen und besonders dem Missionsausschuss – wirkt sich die unterschiedliche Situation, in der die Kirche dort und hier ihren Dienst tut, so nachdrücklich aus, dass als sachentsprechend nur das gelegentliche Zusammentreffen zweier regional arbeitender Gremien zu gegenseitiger Information und Konsultation gelten kann. Noch anders stehen die Dinge bei solchen Ausschüssen, denen spezielle Rechtsfragen zur Klärung aufgegeben sind – etwa solche des Arbeits- oder Besoldungsrechtes. Hier wird man einander zwar noch über Erwägungen und Ergebnisse unterrichten, aber die Ausschussarbeit doch völlig getrennt tun, einfach weil gemeinsame Sitzungen nicht effektiv werden könnten …

Und welches Echo haben die Synodalbeschlüsse zu einer konsequenten Regionalisierung der EKU in der Öffentlichkeit und bei jenen staatlichen Stellen gefunden, die vor der Magdeburger Tagung immer wieder darauf gedrängt hatten, dass unsere Kirche ihre Rechtsgestalt der Verfassungswirklichkeit der DDR anpassen möchte? Der ausführliche Bericht der »Neuen Zeit«17 zu den Ergebnissen der Tagung in der Ausgabe vom 29.4.1972 war mit ›Entscheidung im Zeichen der Realitäten‹ überschrieben, schränkte die in dieser Wendung liegende Anerkennung dann freilich insofern ein, als am Schluss nur von einem ›Schritt‹ zur organisatorisch-rechtlichen Verselbstständigung der EKU-Kirchen in der DDR die Rede war.18 Ähnlich wertete drei Monate später der von Franz Kirchner19 erstattete Bericht des Präsidiums an die 15. Sitzung des Hauptvorstandes der CDU die Magdeburger Beschlüsse als ein Zeichen dafür, dass sich ›die realistisch denkenden Kräfte immer stärker durchgesetzt‹ hätten und als einen ›wichtigen Schritt nach vorn‹ (»Neue Zeit« vom 28.6.1972).20

Man wird in dieser bedingten Zustimmung (›bedingt‹, weil sie kaum verhüllt den Wunsch nach einer weitergehenden Lösung von dem anderen Bereich unserer Kirche beinhaltet) so etwas wie eine offizielle Sprachregelung erblicken dürfen. Das zeigte sich, als der Rat – Bereich DDR – im Oktober durch seinen Vorsitzenden dem Staatssekretär für Kirchenfragen Mitteilung von dem erfolgten Wechsel in der Leitung der Kirchenkanzlei machte und einen Antrittsbesuch des neu eingeführten Präsidenten anbot. Das Gespräch kam am 4. Januar [1973] zustande; aus der Kanzlei nahm an ihm auch Kirchenrat Hafa21 teil. Der Herr Staatssekretär empfing die Vertreter der EKU nicht persönlich, sondern ließ sich durch die Herren Wilke22 und Weise23 vertreten; er nahm das Angebot insoweit aber eben doch an. In der zweistündigen Unterredung standen dann wieder einige anerkennende Worte für das Regionalisierungsgesetz der Synode und für neue Ansätze in den Magdeburger Reden des Herrn Ratsvorsitzenden und des Berichterstatters neben der Forderung, dass diesem ›ersten Schritt‹ (nicht präzise bezeichnete) weitere Schritte folgen müssten. Hervorgehoben zu werden verdient aber, dass das Gespräch mit der Feststellung schloss, dass sich die EKU in Zukunft mit Sachanliegen neu an das Staatssekretariat wenden könnte, was jahrelang nicht der Fall gewesen war, und da inzwischen, am 9. April [1973], ein erstes derartiges Sachgespräch über unsere ökumenischen Verbindungen und über konkrete Besuchswünsche im Staatssekretariat tatsächlich stattgefunden hat …

Ob die Entscheidung, die wir in Magdeburg im Blick auf unser Verhältnis zu den zweieinhalb Gliedkirchen der Evangelischen Kirche der Union in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin-West getroffen haben, notwendig war in des Wortes eigentlicher Bedeutung, also fällig, richtig und auf die Zukunft der Kirche Jesu Christi gesehen hilfreich, lässt sich nach einem Jahr wahrhaftig nicht begründet sagen: unbestreitbar aber ist, dass sie nicht nur den tiefsten Einschnitt in der Geschichte unserer Kirche seit ihrer Neukonstitution 1951 bedeutet, sondern dass sie sich auch als praktisch durchführbar und als für die Arbeit der EKU bisher nützlich erwiesen hat …

Als im vergangenen Jahr seitens des Rates ein neuer Leiter der Kirchenkanzlei bestellt werden musste, wurde in den Beschluss über seine Berufung ein Satz aufgenommen, nach dem es ihm zur Pflicht gemacht ist, ›für die stärkere Zusammenarbeit zwischen der Kirchenkanzlei der EKU, dem Lutherischen Kirchenamt der VELK-DDR24 und dem Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen25 Sorge zu tragen und so zu dem Zusammenwachsen der Kirchen des Bundes zur vollen Kirchengemeinschaft zu dienen‹.

… Wie wird sich die Zukunft unserer Kirche in ihrer Zuordnung zum Bund der Evangelischen Kirche in der DDR gestalten? …

Um als eine Kirche gelten zu können, in die sich die EKU bis zur Aufgabe ihres Eigendaseins hineingeben dürfte, müsste der Bund feststellen können:

  • 1.

    dass die Gemeinschaft in ihm auf einer deutlichen Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums beruht, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt, durch die reformatorischen Bekenntnisse und die von ihnen her verstandenen altkirchlichen Symbole ausgelegt und in der Theologischen Erklärung von Barmen26 aufs Neue bekannt worden ist;

  • 2.

    dass die in ihm vereinigten selbstständigen Gliedkirchen bzw. Zusammenschlüsse (Kirchenbund Evangelisch-Reformierter Gemeinden in der DDR27) einander uneingeschränkte Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft (Interkommunion und Interzelebration) gewähren;

  • 3.

    dass der Bekenntnisstand der Gemeinden und Kirchen in Geltung bleibt, dass aber zugleich das Lehrgespräch unter den im Bund vertretenen Konfessionen mit dem Ziel fortgeführt und intensiviert wird, ›im gemeinsamen Bekennen des Evangeliums zu beharren und zu wachsen‹ (Artikel 1,4 OEKU);28

  • 4.

    dass sich solches Bekennen nach der einhelligen Überzeugung seiner Gliedkirchen konkret im Gegenüber zu den säkularen Heilsbotschaften der Zeit vollzieht und mit der Benennung und Abweisung von Irrlehren einerseits, mit dem entschiedenen Eintreten für Glaubensfreiheit andererseits einhergehen muss;

  • 5.

    dass alle seine Organe das in Artikel 4,4 der Ordnung des Bundes enthaltene Bekenntnis zu der ›besonderen Gemeinschaft der ganzen Evangelischen Christenheit in Deutschland‹ so mit Leben zu erfüllen bemüht sind, wie es sich bislang in ihrer Weise die Organe der EKU angelegen sein ließen;29

  • 6.

    dass der Wille zu einer Vertiefung der rechtlichen und organisatorischen Gemeinschaft von allen Gliedkirchen geteilt wird, sodass sie für klar umrissene Sachgebiete das Recht des Bundes zur Vorbereitung und zum Erlass von kirchengesetzlichen Bestimmungen und Verwaltungsanordnungen anerkennen …«

Präses Waitz/Magdeburg gab über den Verlauf der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR im Mai 1973 in Schwerin einen sachlichen, allgemein gehaltenen Bericht.

In der anschließenden Diskussion zu beiden Berichten traten insbesondere folgende Diskussionsredner in Erscheinung:

Prof. Hoffmann/Halle30 setzte sich mit einer schnelleren Entwicklung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR im Sinne einer sogenannten Kirchwerdung auseinander und forderte eine stärkere Beteiligung der EKU hieran.

Prof. Müller/Berlin31 verwies kritisch darauf, dass nach dem Bericht die meisten Ratssitzungen noch als »gemeinsam« und die wichtigsten Ausschüsse noch »gesamtdeutsch« getagt hätten. Er meinte, die EKU müsse nun bereit sein, »ihr eigenes Dasein in diese Kirche hineinzugeben, wenn der Bund feststellen könne, dass alle seine Organe das im Artikel 4.4 enthaltene Bekenntnis zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland so mit Leben zu erfüllen bemüht sind, wie es sich bislang in ihrer Weise die Organe der EKU angelegen sein ließen«. Müller stellte die Frage, ob damit nicht faktisch für die Beziehungen der EKU zum Bund die Bedingungen geknüpft würden, dass die Auslegung der Beschlüsse der EKU-Synode von Magdeburg zuvor auf den Bund übertragen werden müssen.

Auf diese Ausführungen ging Pfarrer Hamel/Naumburg32 ein und erklärte, es sei gerade die Stärke der Darstellung von Dr. Pietz, dass er auf Wortlaut und Geist von Magdeburg ganz eingegangen sei. Sinn- und buchstabengemäß seien die Beschlüsse von Magdeburg nach dem vorgelegten Bericht fortgeführt worden. Er könne die Ausführungen von Prof. Müller nicht akzeptieren.

Die Synodalen seien zum Teil weit entfernt von dem eigentlichen Inhalt, um den es gehe, um das Evangelium, Geist, Liebe usw. Abschließend stellte Hamel fest: »Wir sind nicht mehr in allen Punkten einig, trotzdem bleiben wir zusammen.«

Dr. Rogge33 vom Sprachenkonvikt Berlin kritisierte, dass die Informationstagung in eine Sachdiskussion umzuschlagen scheine. Da er die Absicht habe, sich daran zu beteiligen, bitte er um Auskunft, was es eigentlich mit den vielzitierten Begriffen wie »Kirchwerdung« usw. auf sich habe.34

Außerhalb der vorgesehenen Tagesordnung gab Pfarrer Hamel, Naumburg, einen Bericht über die Tätigkeit des Theologischen Ausschusses der EKU-Synode. Hauptinhalt seiner Ausführungen war, dass der Theologische Ausschuss sich beschäftige mit einer vom Rat der EKU in Auftrag gegebenen Interpretation der theologischen Erklärung von Barmen im Blick auf die Gegenwart.

Hamel erklärte in diesem Zusammenhang, dass man eine Probebefragung hinsichtlich der letzten Fassung des Ergebnisses dieser Ausschussarbeit bei 36 sogenannten »Normalchristen« durchgeführt habe, darunter vorwiegend Facharbeitern. Schwerpunktmäßig habe man sich auf Arbeiter mit Fachschulbildung konzentriert. Das Ergebnis sei rein formal.

Oberkonsistorialrat Juergensohn/Görlitz35 sagte, noch einmal auf die Ausführungen von Prof. Müller eingehend, wenn man den Artikel 4.4 der Ordnung des Bundes als verhängnisvoll bezeichne, so müsse man aber auch die andere Seite sehen. Viele Gliedkirchen hätten überhaupt nur wegen dieses Artikels, den sie als Minimum verstehen, der Gründung des Bundes zugestimmt. Der Vorstand (gemeint ist die Leitung des Bundes) habe den Artikel 4.4 immer respektiert. Dieser Respekt vor Artikel 4.4. sei auch außerhalb der Kirche stärker geworden. So sei erstmalig ein Vertreter der »Evangelischen Kirche in Deutschland« bei der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und ein Vertreter des Bundes bei der Synode der EKD zu Gast gewesen.

Daraus schloss Juergensohn, dass die starken Bedenken von »bestimmter Seite« (gemeint sind staatliche Organe) besserer Einsicht gewichen seien. Er hoffe, dass die Anerkennungswelle und der »UNO-Beitritt36 unserem Staat eine neue Qualität gibt«, die es ihm erleichtere, den Artikel 4.4 zu akzeptieren.

Pfarrer Knecht/Berlin37 nahm zur Frage der sogenannten Säkularisierung Stellung. Er stimmte Prof. Müller zu, dass es immer eine Säkularisierung gegeben habe und immer geben werde, aber er bestreite, dass die Säkularisierung sich orientiere an der Auseinandersetzung mit »innerkirchlichen Irrlehren« und den sogenannten Heilsbotschaften der Zeit. Für die Unterscheidung von »innerkirchlicher Irrlehre« und der »Heilsbotschaft« führte er Folgendes an:

»Nach 1933 sagten die ›Deutschen Christen‹38: ›Deutschland ist unser Ziel und Christus unsere Kraft.‹ Hier wurde deutlich, dass die politische Heilsbotschaft ›Deutschland ist unser Ziel‹ vermischt wurde mit der kirchlichen Irrlehre ›Christus ist unsere Kraft‹. Heute lautet die entsprechende Parole in der Substanz, wenn auch nicht im Wortlaut: ›Der Sozialismus ist unser Ziel und Christus ist unsere Kraft.‹ Wir haben auch hier den doppelten Ursprung: Die säkulare Heilsbotschaft auf der einen Seite, also der Sozialismus, und auf der anderen Seite die kirchliche Irrlehre: ›Christus ist unsere Kraft‹.«

In seinem Schlusswort brachte Präsident Pietz zum Ausdruck, dass der Wortlaut der Magdeburger Beschlüsse eingehalten wurde. Allerdings sei er der Meinung, dass man nicht von einem »ersten Schritt« sprechen könne, wie das nach dem Bericht von staatlicher Seite geschieht, weil »weitere Schritte« noch nicht ersichtlich sind.

Der Generalsekretär der CDU, Gerald Götting,39 habe im Februar auf die Gefahr hingewiesen, dass die Kirchen in der BRD zu einem »systemfördernden Faktor« würden. Pietz habe die Sorge, dass dies auch von den Kirchen in der DDR erwartet werde. Das sei vom Staatssekretär für Kirchenfragen so artikuliert worden. Dahinter würde der Gedanke stehen, dass von staatlicher Seite zwar erwartet werde, dass die Kirche spezifische Motive, aber keine spezifischen Sachfragen einbringe.

Die Kirche müsse Kirche bleiben, darum müsste sie aneinander festhalten. Dazu sei im Bund bisher noch zu wenig geschehen. Zu der Frage der säkularen Heilsbotschaft habe Pfarrer Knecht schon das gesagt, was alle meinen. Wenn von »Irrlehre« die Rede sei, so sei das innerkirchlich gemeint.

Im weiteren Verlauf der Informationstagung für die Synodalen der EKU wurden dann insbesondere innerkirchliche, liturgische Fragen usw. behandelt.

Diese Information ist nicht zur öffentlichen Auswertung bestimmt.

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    16. Juli 1973
    Information Nr. 659/73 über Brandstiftungen im VEB Getreidekombinat Neubrandenburg, Betriebsteil Neustrelitz, und in der LPG Flatow, [Kreis] Oranienburg, [Bezirk] Potsdam

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    16. Juli 1973
    Information Nr. 644/73 über die Jugendwallfahrt des Katholischen Kommissariats Magdeburg auf dem Petersberg bei Halle am 17. Juni 1973