terroristische Handlungen durch sechs NVA-Angehörige
28. Dezember 1973
Information Nr. 1318/73 über die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Handlungen durch eine Gruppe von sechs Angehörigen der Nationalen Volksarmee
Am 25.12.1973, gegen 2.30 Uhr, überfiel der Angehörige der Nationalen Volksarmee, Gefreiter [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1948, wohnhaft Demmin, [Straße, Nr.], NVA seit 3.11.1972 (Grundwehrdienst), Kanonier in der 8. Batterie des Artillerie-Regiments 5, stationiert in Dabel, Kreis Sternberg, mit dem Ziel, sich in den Besitz des Waffenkammerschlüssels zu bringen und weitere geplante terroristische Handlungen zu begehen, den zu dieser Zeit als Unteroffizier vom Dienst eingesetzten Unteroffizier [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1952 in Parchim wohnhaft Griebow-Mühle, NVA seit [Tag, Monat] 1971, Gruppenführer in der 8. Batterie des Artillerie-Regiments 5 und brachte ihm mittels eines Kreuzmeißels schwere Kopfverletzungen bei.
Durch Hilferufe des Unteroffiziers [Name 2] gelang es [Name 1] nicht, weitere geplante Verbrechen zu begehen.
Bedingt durch die aufgrund der erlittenen Verletzungen gegebene Handlungsunfähigkeit des Unteroffiziers [Name 2] war es [Name 1] möglich, ohne Mitführung von Waffen und Munition zu fliehen.
Er wurde am 27.12.1973, gegen 18.00 Uhr, im Zuge der eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen durch Angehörige der Kriminalpolizei in Dabel, Kreis Sternberg, festgenommen.
Die bisherigen Untersuchungen des MfS ergaben:
Am 24.12.1973, etwa ab 23.30 Uhr, nach Beendigung einer in der Diensteinheit durchgeführten Weihnachtsfeier, trafen die Angehörigen der 8. Batterie des Artillerie-Regiments 5, der bereits erwähnte Gefreite [Name 1] sowie die NVA-Angehörigen Unteroffizier [Name 3, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1953, wohnhaft in Breechen, Kreis Greifswald, NVA seit 1.11.1971 (Soldat auf Zeit), Kraftfahrer; Unteroffizier [Name 4, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1952, wohnhaft in Ladeburg, Kreis Zerbst, [Straße, Nr.], NVA seit 2.11.1971 (Soldat auf Zeit), Kraftfahrer; Soldat [Name 5, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1953, wohnhaft in Goldberg, Kreis Lübz, [Straße, Nr.], NVA seit 3.11.1972 (Grundwehrdienst), Kanonier; Soldat [Name 6, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1953, wohnhaft in Fahrenholz, Kreis Schwerin-Land, NVA seit 4.5.1973 (Grundwehrdienst), Kanonier, zusammen, nahmen weitere alkoholische Getränke zu sich und erörterten dabei, ausgehend von der bei diesen NVA-Angehörigen vorhandenen negativen Einstellung zur Ableistung des Wehrdienstes, Möglichkeiten für eine Fahnenflucht nach der BRD.
Bei dieser Zusammenkunft, auf der [Name 1] als Wortführer auftrat, wurden nach bisher übereinstimmenden Aussagen der NVA-Angehörigen [Name 3], [Name 4], [Name 5] und [Name 6] folgende Festlegungen zur Realisierung der geplanten Verbrechen getroffen:
- 1.
Dem UvD der 8. Batterie die Waffenkammerschlüssel zu entwenden,
- 2.
in die Waffenkammer einzubrechen, sich mit Pistolen, Maschinenpistolen und Handgranaten zu bewaffnen,
- 3.
den Nachrichtenbunker außer Betrieb zu setzen,
- 4.
in den Gefechtspark einzudringen und sich in den Besitz einer Tatra-Zugmaschine zu setzen,
- 5.
in Sternberg (oder in der NVA-Wohnsiedlung Dabel) ca. 15 Personen (Frauen und Kinder) als Geiseln zu nehmen,
- 6.
die Staatsgrenze der DDR zur BRD zu überwinden und möglichen Widerstand mit Waffengewalt zu brechen.
Der Überfall des [Name 1] auf den UvD, Unteroffizier [Name 2], war der erste Schritt der Realisierung der geplanten weiteren Terror- und Gewaltverbrechen.
Im Ergebnis der bisherigen Untersuchungen ist einzuschätzen, dass der Entschluss zur Planung und Durchführung der Verbrechen vermutlich spontan gefasst wurde.
Alle Täter standen zum Zeitpunkt der Zusammenkunft, bei welcher die Festlegungen für die geplanten Verbrechen und deren Realisierung getroffen wurden, unter Alkoholeinfluss.
Gegen [Name 1] wurde gemäß §§ 101 StGB (Terror)1, 112 StGB (Mord)2, 254 StGB (Fahnenflucht)3 und 267 StGB (Angriff, Widerstand und Nötigung gegen Vorgesetzte, Wachen, Streifen oder andere Militärpersonen)4 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehl erlassen.
Gegen die NVA-Angehörigen [Name 3], [Name 4], [Name 6] und [Name 5] wurden gemäß §§ 101, 254 und 267 StGB Ermittlungsverfahren eingeleitet und auf der gleichen Rechtsgrundlage Haftbefehle erlassen und vollstreckt.
Die Untersuchungen werden fortgesetzt. Über das Ergebnis wird nachberichtet.