Ungesetzliches Verlassen der DDR durch fünf DDR-Bürger
26. April 1973
Information Nr. 400/73 über das ungesetzliche Verlassen der DDR durch fünf DDR-Bürger über die Staatsgrenze DDR – BRD
Im Ergebnis der Überprüfungen des MfS handelt es sich bei den in der Westpresse vom 25.4.1973 publizierten Fällen1 des gelungenen ungesetzlichen Verlassens der DDR um folgende Personen:
1. [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1942, zuletzt tätig als Zahnarzt im Medizinischen Zentrum Rostock-Nord, wohnhaft gewesen in Rostock-Warnemünde, [Straße Nr.];
2. [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1946, zuletzt tätig als Zahnarzt im Medizinischen Zentrum Rostock-Nord, wohnhaft gewesen in Rostock, [Straße Nr.];
3. [Name 3, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1956, zuletzt tätig als Schlosserlehrling im VEB »Ostseetrans«, Betriebsteil Grevesmühlen, Bezirk Rostock, wohnhaft gewesen in Neuleben, Kreis Grevesmühlen;
4. [Name 4, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1950, zuletzt tätig als Viehpfleger in der LPG Neuleben, Kreis Grevesmühlen, wohnhaft gewesen in Neuleben, Kreis Grevesmühlen;
5. [Name 5, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1951, zuletzt tätig als Traktorist in der LPG Neuleben, Kreis Grevesmühlen, wohnhaft gewesen in Herrnburg, Kreis Grevesmühlen.
Die Untersuchungen des MfS ergaben, dass der gemeinsam durchgeführte ungesetzliche Grenzübertritt der Personen [Name 1] und [Name 2] mittels eines Paddelbootes über die Ostsee erfolgte, während die Jugendlichen [Name 3], [Name 4] und [Name 5] – ebenfalls gemeinschaftlich handelnd – die Staatsgrenze der DDR zur BRD im Grenzabschnitt Lenschow/Kreis Grevesmühlen durchbrachen.
Zum Persönlichkeitsbild der republikflüchtigen Personen wurde bisher bekannt, dass [Name 1] nach Beendigung seines Studiums im Jahre 1968 als Zahnarzt bei der NVA tätig gewesen war, wegen grober moralischer Verfehlungen 1970 aus der NVA entlassen wurde und danach eine Tätigkeit als Zahnarzt im Medizinischen Zentrum Rostock-Nord aufnahm.
Er lehnte jegliche gesellschaftliche Arbeit ab und unterhielt persönliche und briefliche Verbindungen zu einem in Kiel (BRD) wohnhaften, ehemals in Rostock tätig gewesenen und republikflüchtig gewordenen Arzt. Außerdem zählten zu seinem Bekanntenkreis Personen, die über Verbindungen in das nichtsozialistische Ausland verfügen.
[Name 1] beantragte in Rostock wiederholt eine Genehmigung zum Befahren der Küstengewässer bzw. die Ausstellung eines Seefahrtsbuches, was ihm aufgrund seiner politischen Grundhaltung abgelehnt wurde.
Er lebte wegen seines unsoliden Lebenswandels in angespannten finanziellen Verhältnissen.
Seit Anfang des Jahres 1973 unterhielt [Name 1] Kontakte zu [Name 2], der nach den bisherigen Untersuchungen eine politisch indifferente Haltung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR hatte.
Aufgrund einer Erkrankung (Epilepsie) wurde er – befristet auf mehrere Monate – Anfang April 1973 von der Patientenbehandlung befreit und zur Verrichtung anderer Aufgaben eingesetzt, die bei ihm Depressionserscheinungen hervorriefen.
Seine Eltern unterhielten umfangreiche persönliche und briefliche Verbindungen zu ihren in der BRD bzw. in Österreich lebenden Geschwistern.
Die Untersuchungen des MfS im Zusammenhang mit dem ungesetzlichen Verlassen der DDR durch die Jugendlichen [Name 3], [Name 4] und [Name 5] ergaben, dass [Name 3] und [Name 4] über ihre Eltern umfangreiche Kontakte zu in der BRD wohnhaften Verwandten und Bekannten unterhielten.
[Name 3] wurde in seinem Entschluss, die DDR ungesetzlich zu verlassen, offensichtlich durch die in der Zeit vom 11.4. bis 23.4.1973 bei seinen Eltern zu Besuch weilenden Verwandten aus der BRD bestärkt.
[Name 4] unterhielt postalische Verbindungen zu einem in der BRD wohnhaften Bekannten, der im März 1971 die DDR ungesetzlich verlassen hat.
Seine Mutter unterhält ebenfalls Kontakte zu Verwandten in der BRD.
[Name 5] gehört zum Freundeskreis des [Name 3] und [Name 4] . Sie besuchten zusammen die Oberschule und verbrachten ihre Freizeit gemeinsam.
Über [Name 5] wurde nichts Nachteiliges bekannt. Vermutlich wurde er von [Name 3] und [Name 4] zu dem ungesetzlichen Grenzübertritt veranlasst.
Die Untersuchungen des MfS zur umfassenden Aufklärung der Ursachen, Motive und begünstigenden Bedingungen für das ungesetzliche Verlassen der DDR durch die Genannten werden fortgesetzt.