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Vereinbarungen über Errichtung diplomatischer Vertretungen

28. Februar 1973
Information Nr. 192/73 über Vereinbarungen mit kapitalistischen Staaten über technische und praktische Fragen im Zusammenhang mit der gegenseitigen Errichtung diplomatischer Vertretungen

Dem MfS wurden Bestrebungen kapitalistischer Staaten bekannt, sich im Zuge der diplomatischen Anerkennung der DDR in zweiseitigen Vereinbarungen mit der DDR über technische und praktische Fragen weitestgehend Rechte zu sichern, die den Sicherheitsinteressen der DDR entgegenstehen.1 Das betrifft u. a. besonders solche Fragen wie

  • die ungehinderte Ein- und Ausreise nach Westberlin für einen größeren Personenkreis als üblich,

  • die Abwicklung der zoll- und gebührenfreien Einfuhr von Gegenständen für die kapitalistischen Missionen über Westberlin,

  • die Beschäftigung von Bürgern der Entsendestaaten, die ihren ständigen Wohnsitz in der DDR haben, bei den kapitalistischen Missionen.

Die Bestrebungen gehen dahin, in den Texten der Vereinbarungen solche Fragen so allgemein abzufassen, dass es möglich wird, sie verschiedenartig auszulegen.

So heißt es z. B. in solchen Vereinbarungen, dass Mitglieder derartiger Missionen (und Konsulate), deren Familienangehörige sowie ihre privaten Hausangestellten, sofern es sich um Bürger des jeweiligen Staates handelt, berechtigt sind, jederzeit nach und von den Westsektoren Berlins zu reisen.

Dies stellt eine Nichtberücksichtigung der geltenden Rechtsvorschriften der DDR dar (Pass-Gesetz der DDR vom 15. September 1954 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 30. August 1956), wonach z. B. die privaten Hausangestellten für das Verlassen des Gebietes der DDR Visa benötigen.2

Ferner können solche Festlegungen als Versuch kapitalistischer Staaten eingeschätzt werden, für den gesamten Personenkreis die größtmöglichen Rechte (z. B. die volle Immunität3) zu beanspruchen, obwohl nach der Wiener Konvention4 und auch nach den Rechtsvorschriften der DDR zwischen den einzelnen Kategorien der Angehörigen der Missionen (Missionschef, diplomatisches Personal, Verwaltungs- und technisches Personal usw.) bezüglich ihrer Rechte, Privilegien und Immunitäten unterschieden wird.

Hinzu kommen Bestrebungen, Bürger des jeweiligen Staates mit ständigem Wohnsitz in der DDR als Verwaltungs-, technisches und Dienstpersonal sowie als private Hausangestellte zu beschäftigen und somit für sie die gleichen Rechte der ungehinderten Aus- und Einreise zu sichern.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass derzeit die Arbeitsaufnahme ausländischer Bürger mit ständigem Wohnsitz in der DDR (AEFA) in ausländischen Vertretungen gesetzlich noch nicht geregelt ist.

DDR-seitig sollte jedoch angestrebt werden, eine solche Arbeitsaufnahme nur mit Arbeitsrechtsverhältnis beim Dienstleistungsamt zuzulassen.5

Beachtung verdienen auch die Bestrebungen kapitalistischer Staaten, die allgemein in der Wiener Konvention zugesicherten Rechte hinsichtlich der zoll- und gebührenfreien Einfuhr von Gegenständen für die Mission besonders im Hinblick auf Westberlin zugesichert zu bekommen.6

Da in diesbezüglichen Vereinbarungen auch der Terminus »Importe« verwendet wird, kann die Möglichkeit, Handelsoperationen über Westberlin abzuwickeln, nicht ausgeschlossen werden, was aber keinesfalls den Interessen der DDR entspricht.

Da sich im Zusammenhang mit der Einrichtung von Missionen nichtsozialistischer Staaten in der Hauptstadt der DDR objektiv die Möglichkeit des Missbrauchs des unkontrollierten Reiseverkehrs von und nach Westberlin für staatsfeindliche und andere gesetzwidrige Handlungen generell vergrößert, sollten unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit zweckmäßige Maßnahmen eingeleitet werden, um nicht noch darüber hinaus durch vorgenannte und ähnliche Probleme Möglichkeiten für den gegnerischen Missbrauch zuzulassen.

  1. Zum nächsten Dokument Ausschleusung von zehn DDR-Bürgern

    2. März 1973
    Information Nr. 196/73 über die Ausschleusung von zehn DDR-Bürgern durch eine Menschenhändlerorganisation nach der BRD

  2. Zum vorherigen Dokument Unzufriedenheit auf dem Fischereischiff »Junge Welt«

    23. Februar 1973
    Information Nr. 164/73 über Unzufriedenheit mit lohnpolitischen Maßnahmen auf dem Transport- und Verarbeitungsschiff »Junge Welt«