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Verhinderte Ausschleusung eines Ehepaars mit drei Kindern

25. September 1973
Information Nr. 982/73 über die Verhinderung der Ausschleusung von fünf DDR-Bürgern (ein Ehepaar und drei Kinder) in die BRD

Am 22.9.1973, gegen 1.00 Uhr, wurden an der Grenzübergangsstelle Marienborn – Autobahn – die Westberliner Bürger Hetzschold, Karl-Heinz,1 geboren am [Tag, Monat] 1943, wohnhaft Berlin (West)-Zehlendorf, [Straße, Nr.], Beruf Matrose, zuletzt tätig als Kellner in der Gaststätte »Schwarzer Adler« in Berlin (West), Potsdamer Straße 25 und Mierendorff, Oliver,2 geboren am [Tag, Monat] 1947, wohnhaft Berlin (West) 37, [Straße, Nr.], Beruf Fleischer, zuletzt tätig als Kraftfahrer bei der Lichterfelder Getränkeherstellung in Berlin (West), bei dem Versuch, in dem vom Hetzschold gesteuerten Pkw, Typ »Opel Kapitän«, amtliches Kennzeichen B – W 5922, eine Familie der DDR (Ehepaar und drei Kinder) im Kofferraum versteckt unter Missbrauch des Transitabkommens3 in die BRD auszuschleusen, festgenommen.4

Bei den zur Ausschleusung vorgesehenen DDR-Bürgern handelt es sich um [Name 1, Vorname 1], geboren am [Tag, Monat] 1936, wohnhaft Berlin-Lichtenberg, [Straße, Nr.], Diplom-Physiker am Zentralinstitut für Physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR, Mitglied des FDGB und der DSF und [Name 1], geborene [Name 2], [Vorname 2], geboren am [Tag, Monat] 1940, wohnhaft wie Ehemann, Ärztin im Krankenhaus Berlin-Weißensee, nicht gesellschaftlich organisiert, sowie deren drei Kinder im Alter von sechs, fünf und einem Jahr.

Im Ergebnis weiterer, im Zusammenhang damit eingeleiteter Maßnahmen wurden wegen aktiver Mitwirkung an dieser versuchten Personenschleusung am gleichen Tage gegen 16.00 Uhr an der Grenzübergangsstelle Marienborn – Autobahn – die Westberliner Bürger Eggert, Wolfgang,5 geboren am [Tag, Monat] 1934, Beruf ohne, Sozialrentner, wohnhaft Berlin (West), [Straße, Nr.], und Jäckel, Erwin,6 geboren am [Tag, Monat] 1931, wohnhaft Berlin (West), [Straße, Nr.], Beruf ohne, zuletzt tätig als Kraftfahrer bei der Speditionsfirma Dombrowski in Berlin (West), festgenommen, als sie mittels eines Pkw vom Typ »Citroen DS 21«, amtliches Kennzeichen B – PX 456, in die BRD auszureisen versuchten.

Gegen die Westberliner Bürger sowie das zur Ausschleusung vorgesehene DDR-Ehepaar wurden durch das MfS Ermittlungsverfahren gemäß § 105 StGB – Staatsfeindlicher Menschenhandel7 – eingeleitet und auf den gleichen Rechtsgrundlagen, mit Ausnahme der [Name 1] unter Berücksichtigung der Betreuung der Kinder, Haftbefehle erwirkt.

Die Untersuchungen durch das MfS werden fortgesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Schriftsteller-Zusammenkunft in der englischen Botschaft

    28. September 1973
    Information Nr. 980/73 über Aktivitäten des freischaffenden Schriftstellers Stefan Heym zur Organisierung einer Zusammenkunft mit anderen Literaturschaffenden der DDR in der englischen Botschaft in der Hauptstadt der DDR
  2. Zum vorherigen Dokument Festnahme eines BRD-Bürgers wegen versuchter Ausschleusung

    25. September 1973
    Information Nr. 981/73 über die Festnahme eines BRD-Bürgers wegen des Versuchs der Ausschleusung einer DDR-Bürgerin nach der BRD

  1. Karl-Heinz-Hetzschold, Jg. 1943, Seefahrer, Kellner und Fluchthelfer, ab 1973 Fluchthelfer gemeinsam mit Oliver Mierendorff, ab 1973 DDR-Haft.

  2. Oliver Mierendorff, Jg. 1947, Fleischer, in den 1960er- und 70er-Jahren kommerzieller Fluchthelfer, ab 1973 DDR-Haft.

  3. Das am 3.6.1972 in Kraft getretene Transitabkommen regelte den Schifffahrts-, Bahn- und Straßenverkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin. Ziel war eine schnellere und humanere Durchführung der Grenzkontrollen und Visavergaben. Der Verkehrsvertrag war die erste Vereinbarung, die im Rahmen der Entspannungspolitik der Regierung Brandt/Scheel auf Regierungsebene zwischen der Bundesrepublik und der DDR abgeschlossen wurde. Vgl. Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) v. 3.6.1972. In: GBl. II 1972, S. 349–354.

  4. Der Spiegel berichtete über diesen Fall rund sechs Wochen später: Fluchthelfer bzw. auszuschleusen. In: Der Spiegel v. 4.11.1973, S. 102–104.

  5. Wolfgang Eggert, Jg. 1934, ohne Beruf, 1958 Flucht aus der DDR, 1973–78 Haft.

  6. Erwin Jäckel, Jg. 1931, ohne Beruf, bis 1973 Kraftfahrer und Fluchthelfer, 1973–78 Haft.

  7. Der § 105 StGB – Staatsfeindlicher Menschenhandel – lautete: »Wer es (1) mit dem Ziel, die Deutsche Demokratische Republik zu schädigen; (2) in Zusammenhang mit Organisationen, Einrichtungen, Gruppen oder Personen, die einen Kampf gegen die Deutsche Demokratische Republik führen, oder, mit Wirtschaftsunternehmen oder deren Vertretern unternimmt, Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in außerhalb ihres Staatsgebietes liegende Gebiete oder Staaten abzuwerben, zu verschleppen, auszuschleusen oder deren Rückkehr zu verhindern, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.« In: Ministerium der Justiz (Hg.): Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik – StGB. Textausgabe mit Sachregister. Berlin 1968, S. 46.